Der CDU-Abgeordnete Manfred Grund zur Kooperation am Schwarzen Meer
Vom 11. bis 13. Juni 2009 tagt in der rumänischen Hauptstadt Bukarest die Parlamentarische Versammlung der Schwarzmeerwirtschaftskooperation (Black Sea Economic Cooperation, kurz BSEC). Die BSEC wurde 1992 gegründet mit dem Ziel, durch regionale Zusammenarbeit Frieden, Stabilität und Wohlstand im Schwarzmeerraum zu fördern. Ihr gehören zwölf Staaten an, darunter Russland, die Ukraine und Georgien. Deutschland hat seit 1999 Beobachterstatus. Im Interview erläutert der CDU-Abgeordnete Manfred Grund, der als Vertreter des Bundestages an der Tagung teilnimmt, die Bedeutung der Schwarzmeerregion für Europa, Chancen und Defizite der BSEC und die unterschiedlichen Vorstellungen Russlands und der EU über ihre künftige Rolle.
Herr Grund, was geht Deutschland und die EU eigentlich die Schwarzmeerregion an?
In der Schwarzmeerregion finden sich heute die meisten Konflikte innerhalb oder im Umfeld Europas, darunter die so genannten eingefrorenen Konflikte um Transnistrien, Berg Karabach oder auch Abchasien und Südossetien. Die beiden letzten Beispiele zeigen die Eskalationsgefahren auf, die sich mit diesen Konflikten verbinden können. Solche Konflikte wirken zwangsläufig auch auf Europa zurück. Gerade in der Schwarzmeerregion entscheidet sich, wie Russland in die europäische Sicherheitsarchitektur eingebunden werden kann. Daneben existiert eine Vielzahl grenzüberschreitender Probleme, die ebenfalls europäische Interessen berühren.
Welche sind das?
Etwa das Problem der illegalen Migration, das bei der Tagung in
Bukarest eine herausgehobene Rolle spielen wird. Der jüngste
Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine hat zudem erneut
deutlich gemacht, dass die Schwarzmeerregion für die
Energieversorgung Europas von entscheidender strategischer
Bedeutung ist. Der Großteil unserer Gasversorgung führt
durch diese Region. Deshalb müssen wir an friedlicher
Konfliktbeilegung und Kooperation innerhalb wie mit den
Ländern des Schwarzmeerraumes in besonderem Maße
interessiert sein.
Welche Rolle spielt dabei die
Schwarzmeerwirtschaftskooperation?
Nun, sie bietet heute vor allem ein Potenzial für die Entwicklung der Zusammenarbeit in der Region. Sie ist die wichtigste Institution, in der die Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres ihre Politik abstimmen können, und verfügt über eine ausgebaute institutionelle Struktur. Der in ihr geführte Dialog trägt zur Vertrauensbildung in der Region bei. Darüber hinaus ist ihr politischer Mehrwert bislang jedoch begrenzt geblieben.
Woran liegt das?
Die BSEC ist als wirtschaftliche Organisation gegründet worden. In ihr herrschen Meinungsverschiedenheiten, inwieweit sie auch umfassendere politische Aufgaben wahrnehmen soll. Die angesprochenen Themen werden in den Gremien der Schwarzmeerkooperation und auch in der Parlamentarischen Versammlung zum Teil intensiv diskutiert. In vielen Bereichen kommt es aber noch darauf an, konkrete Projekte zu verwirklichen. Die Schwarzmeersynergie der EU, …
…eine 2007 ins Leben gerufene Initiative der
Europäischen Union, die sich im Rahmen der Europäischen
Nachbarschaftspolitik zum Ziel gesetzt hat, die Zusammenarbeit der
Staaten der Schwarzmeerregion untereinander sowie zwischen der
Region als ganzer und der EU zu entwickeln, …
… versucht gerade in dieser Hinsicht, Fortschritte zu fördern.
Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass der BSEC mit Russland
einerseits und der Ukraine und Georgien andererseits Länder
angehören, die sich in tiefer Abneigung verbunden
sind.
Es ist richtig, dass die Gegensätze in der Region die regionale Zusammenarbeit sehr erschweren. Der Georgien-Krieg vom vergangenen Sommer und seine Folgen haben dies vor Augen geführt. Dabei treffen auch unterschiedliche Vorstellungen über Zweck und Entwicklung der Schwarzmeerwirtschaftskooperation aufeinander.
Inwiefern?
Während die EU sie als wesentlichen Anknüpfungspunkt für die Schwarzmeersynergie betrachtet, wird sie von Russland als alternatives Forum betrachtet. Grundsätzlich gilt, dass die EU in der Region einen integrativen Ansatz verwirklichen möchte, während Russland eher geopolitischen Überlegungen folgt. Es möchte daher Einfluss auch gegenüber der EU wahren und legt zugleich größeres Gewicht auf seine bilateralen Beziehungen zu den einzelnen Ländern. Diese sind zum Teil konfliktreich. Aber auch Länder wie die Ukraine und Georgien sind grundsätzlich darauf angewiesen, nicht nur ihre Verbindung zum Westen zu stärken, sondern auch die Zusammenarbeit mit Russland zu entwickeln. Insofern zeigen die Gegensätze zwar die Probleme, aber damit auch zugleich nur umso mehr die Notwendigkeit, kooperative Ansätze zu entwickeln.
Auf der Tagung in Bukarest wird es um eine Reihe ganz
unterschiedlicher Themen gehen. Welches ist Ihrer Meinung nach von
besonderer Bedeutung?
Auch die kommende Tagung wird natürlich von der Wirtschaftskrise überschattet werden, die massive Auswirkungen auf viele der betreffenden Länder hat. Daneben wird sie sich intensiv mit Migrationsfragen beschäftigen. Das ist ein Thema, das wie gesagt nicht nur für die Länder des Schwarzmeerraumes, sondern auch für die EU von großer Bedeutung ist.