Als Reaktion auf die Finanzmarktkrise will die Koalition die Rechte von Anlegern erheblich stärken. In zweiter und dritter Lesung soll im Bundestag am Freitag, 3. Juli 2009, nach 45-minütiger Debatte ab 16.35 Uhr das Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen beschlossen werden. Darin wird unter anderem festgelegt, dass Finanzkunden Anspruch auf ein Protokoll über das Beratungsgespräch haben. Wer falsch beraten wurde, kann damit in Zukunft seine Ansprüche vor Gericht leichter geltend machen.
"Gerade im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise hat sich gezeigt,
dass viele Anleger die Risiken der teilweise hochkomplexen Produkte
nicht hinreichend verstehen", heißt es in dem Gesetzentwurf
der Bundesregierung (
16/12814). "Hier muss für mehr
Verständlichkeit und Transparenz gesorgt werden." Zudem
sollten Anleger im Fall einer fehlerhaften Beratung ihre
Ansprüche leichter durchsetzen können.
Das neue Gesetz soll das bislang gültige Schuldverschreibungsgesetz aus dem Jahr 1899 ablösen und an internationale Standards anpassen. Das alte Gesetz sei in den vergangenen 110 Jahren im Wesentlichen unverändert geblieben und schränke die Befugnisse der Gläubiger aus heutiger Sicht zu stark ein, begründet die Bundesregierung die Neuregelung.
Unter anderem sollen die Besitzer von Schuldverschreibungen mehr
Rechte bekommen. Die Regierung will ihnen ermöglichen, auf
Gläubigerversammlungen "auf informierter Grundlage
möglichst rasch und ohne unnötigen organisatorischen
Aufwand Entscheidungen von unter Umständen großer
finanzieller Tragweite treffen zu können", heißt es im
Entwurf.
Das Verfahren der Gläubigerabstimmung werde grundlegend neu
geregelt und an das "bewährte Recht" der Hauptversammlung bei
der Aktiengesellschaft angelehnt. International übliche
Umschuldungsklauseln (Collective Action Clauses, CAC) seien
künftig auch nach deutschem Recht eindeutig zulässig.
Was das Gesetz gleich mitregelt: Bei Falschberatungen sollen Anleger in Zukunft ihre Rechtsansprüche einfacher durchsetzen können. Finanzberater sollen künftig über die Gespräche mit den Kunden Protokoll führen. Aufzuzeichnen sind Anlass und Dauer der Beratung, eine Einschätzung der persönlichen Situation und der individuellen Anliegen des Kunden sowie die Empfehlungen, die am Ende ausgesprochen werden. Das Dokument muss dem Kunden noch vor Abschluss eines Vertrags unterschrieben ausgehändigt werden.
Mit dem Protokoll bekommen Anleger erstmals ein Dokument in der
Hand, das ihnen vor Gericht die Beweisführung erleichtert.
Bisher war es Kunden kaum möglich zu belegen, dass sie falsch
beraten worden waren. Zugleich können Anleger ihre
Ansprüche länger geltend machen als bisher: Die
dreijährige Verjährungsfrist soll künftig nicht mehr
ab Vertragsabschluss gelten, sondern ab dem Zeitpunkt, zu dem der
Anleger von seinem Schaden erfährt. Bei Unkenntnis des
Anlegers über den Schaden erlischt der Anspruch
spätestens nach zehn Jahren.
Die Koalition begrüßt den Gesetzentwurf grundsätzlich, hat aber einen zusätzlichen Antrag eingereicht, um den Verbraucherschutz bei Finanzprodukten noch deutlicher zu stärken. Unter anderem fordern CDU/CSU und SPD mehr Geld für die Verbraucherschutz Bundeszentrale, einen Finanz-TÜV, mit dem Finanzprodukte unabhängig und neutral überprüft werden können, sowie Mindeststandards für alle Finanzberater.
Selbst ausgebildeten Beratern falle es oftmals schwer, den
Überblick über die mehr als 200.000 Finanzprodukte zu
behalten, die in Deutschland angeboten werden, und dann die
richtige Auswahl für den Kunden zu treffen, heißt es in
dem Koalitionsantrag. Dennoch reiche in einigen Bereichen sogar ein
Gewerbeschein, um als Finanzvermittler aktiv zu werden.
Union und SPD fordern deshalb eine Prüfung für alle
Finanzberater, ihre Eintragung in ein Register und den Abschluss
einer Berufshaftpflichtversicherung, "damit der Kunde nicht das
Insolvenzrisiko des fehlerhaft beratenden Finanzvermittlers
trägt". Über den Antrag wird ebenfalls am Freitag
abgestimmt.