Eine Nacht im Wahlkampf mit Klaus Lederer (Die Linke)
Es ist kurz vor Mitternacht, Klaus Lederer steht auf der Museumsbrücke und dreht eine Zigarette. Touristengruppen ziehen vorbei. Laternenlicht spiegelt sich in der Spree, aus dem Berliner Dom weht Orgelmusik herüber. An diesem Samstagabend ist „Lange Nacht der Museen“, die Linkspartei hat ihren Stand publikumswirksam positioniert: Wer zwischen der Museumsinsel und dem Hackeschen Markt unterwegs ist, muss an Klaus Lederer und seinem Team vorbei. Lederer – Jeans, Umhängetasche, zwei Ringe im linken Ohrläppchen – drückt die Zigarette aus, nimmt einen neuen Stapel Flyer und geht auf die Passanten zu: „Wollen Sie mal reinschauen?“
Auf den Infoblättchen lächelt das Linkspartei-Duo Lafontaine und Gysi. Als Direktkandidat im Wahlkreis Berlin-Mitte hat Lederer auch seine eigenen Broschüren, mit seinem Konterfei darauf. Aber er hält sich zurück. Viele der Kulturtouristen kommen ohnehin nicht aus Berlin, sie kennen ihn nicht. Dabei ist der junge Kandidat von 35 Jahren schon seit 2005 Landesvorsitzender der Linkspartei, damals hieß sie noch PDS. Und momentan hängt sein Plakat an vielen Straßenecken im Viertel. Die Plakate hat er selbst mit aufgehängt. „Schön weit oben, damit sie niemand abhängt.“
Der promovierte Jurist hat bereits einige Wahlkämpfe hinter sich. In Schwerin geboren, zog er mit seiner Familie erst nach Frankfurt an der Oder, schließlich nach Ost-Berlin. Das war kurz vor der Wende. Als die Mauer fiel, wurde Lederer politisch aktiv, diskutierte als Jugendvertreter am Runden Tisch von Berlin. 1992 trat er in die PDS ein.
Heute repräsentiert er die Partei. Eine Familie aus Passau ist stehengeblieben, das Ehepaar mittleren Alters diskutiert mit Lederer, es geht um Arbeitslosigkeit. Die Kinder lümmeln sich auf das rote Sofa am Infostand und naschen Werbe-Bonbons der Linkspartei. Auf denen steht: „In aller Munde“. Der Familienvater gestikuliert wild mit dem Linkspartei-Kugelschreiber, den Lederer ihm in die Hand gedrückt hat. Er habe lange Zeit im Rettungsdienst gearbeitet, bis er wegen Krankheit berufsunfähig wurde, klagt er. Nun verkaufe er Versicherungen.
Lederer hört zu und argumentiert, stellt dar, was „Die Linke“ gegen solche Probleme tun will. Diese Gespräche sind eine gute Übung für ihn. Er muss Positionen erläutern und erfährt viel über die Sorgen und Schicksale der Leute. Ob diese später ihr Kreuz bei der Linkspartei machen, ist eine andere Sache.
Der politische Gegner ist vorbeigekommen. Christian Burholt, CDU-Direktkandidat im Wahlbezirk, begrüßt Lederer. Am Infostand der Union soll Rotwein ausgeschenkt werden, hat Lederer gehört. Stimmt, sagt Burholt, er könne gerne auf ein Gläschen vorbeikommen.
Für den Stadtteil Mitte kandidiert Lederer, „weil sich hier die großen Gegensätze unseres Landes auf kleinem Raum widerspiegeln“. Neben den Berliner Wahrzeichen – Brandenburger Tor, Bundestag und Kanzleramt – stehen hier klassizistische Prachtbauten des preußischen Architekten Schinkel, unweit von DDR-Plattenbauten. Die Problemstadtteile Moabit und Wedding liegen nur wenige Straßen vom Zentrum entfernt und scheinen doch durch Welten getrennt. Auch sie gehören zu Lederers Wahlkreis. „Dort ballen sich die sozialen Probleme“, erklärt er. Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung führten auch zu „Politikabstinenz“. Um das zu ändern, arbeitet er mit Verbänden zusammen, etwa dem Quartiersmanagement von Wedding, das alle fünf Kandidaten Anfang September auf einem Podium zusammenbringt.
Neben den üblichen Volksfesten gibt es in diesem Stadtteil viel kulturelle Abwechslung. So wurde Lederer von einem muslimischen Verein zum Fastenbrechen geladen: Mit diesem Festmahl beenden die Muslime im Ramadan-Monat jeden Abend das tägliche Fasten. Er hat auch enge Verbindungen zur jüdischen Gemeinde und zur Religionsgemeinschaft der Bahai. Ebenso gehören für ihn Termine wie ein Rave im Mauerpark zum Wahlkampf, wo Die Linke ein Open-Air-Konzert zur Förderung subkultureller Projekte organisiert hat.
Am liebsten besucht Lederer Schulen und lässt sich von Jugendlichen ausfragen. „Das können kleine, aber auch ganz große Fragen sein. Wie man den Hunger auf der Erde bekämpfen kann oder was aus dem Jugendclub um die Ecke wird.“ So ein Wahlkampftag beginnt meist schon um 7 Uhr mit der ersten Besprechung. „Und bis zur Bundestagswahl am 27. September wird es immer intensiver.“
Inzwischen haben die ehrenamtlichen Helfer den Infostand abgebaut und den roten Schirm eingerollt. Klaus Lederer sitzt noch mit einem jungen Mann zusammen. Er ist knapp zwanzig und trägt einen Nadelstreifenanzug. Er erkundigt sich nach dem Wahlprogramm der Linkspartei und danach, wie er sich engagieren könnte. Lederer nimmt sich Zeit, gibt ihm schließlich seine Telefonnummer und verabschiedet sich. Die lange Nacht des Wahlkampfs geht zu Ende.