Vier Jahre Große Koalition sind vorbei. Seit seiner Konstituierung am 18. Oktober 2005 hat der Bundestag in der 16. Wahlperiode 616 Gesetze verabschiedet. Ein Blick zurück auf die wichtigsten Beschlüsse.
In der Finanzpolitik gab der Koalitionsvertrag, den CDU/CSU und SPD zu Beginn ihrer gemeinsamen Regierungszeit unterzeichnet hatten, das große Ziel vor: ein ausgeglichener Haushalt bis 2011. Mittelfristig sollten Staatsausgaben sinken, bei steigenden Steuereinnahmen.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurde zum 1. Januar 2007 zunächst die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent erhöht, außerdem verabschiedete der Bundestag 2007 eine große Unternehmensteuerreform, zu der unter anderem auch die Einführung einer 25-prozentigen Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge ab 2009 gehörte.
Gestrichen wurden Vergünstigungen wie die Eigenheimzulage oder die so genannte Pendlerpauschale. Letztere wurde jedoch nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Dezember 2008 wieder eingeführt. Ihrem Ziel der Haushaltskonsolidierung kam die Bundesregierung dank des Wirtschaftsbooms näher, doch im September 2008 erreichte die Finanzmarktkrise Deutschland.
Innerhalb nur einer Woche verabschiedete der Bundestag im Oktober 2008 das Finanzmarktstabilisierungsgesetz, auch Bankenrettungspaket genannt, das mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro einem Kollaps des Finanzmarktes nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers vorbeugen sollte.
Zusätzlich legte die Große Koalition im Eiltempo zwei Konjunkturpakete auf. Das erste, vom Bundestag am 5. November 2008 beschlossen, fördert den Ausbau von Infrastruktur sowie Gebäudesanierungen, erleichtert das Steuersparen für Unternehmen, verschafft neue Kredite und verlängert das Kurzarbeitergeld von zwölf auch 18 Monate.
Mit dem zweiten Konjunkturpaket, am 14. Januar 2009 verabschiedet, wurden die Einkommensteuer und Krankenkassenbeiträge gesenkt. Außerdem enthielt es noch mehr Anreize für Infrastrukturmaßnahmen und die so genannte Abwrackprämie. Zusammen umfassen beide Konjunkturpakete sowie der Bankenrettungstopf rund 600 Milliarden Euro.
In der vergangenen Legislaturperiode wurden insgesamt 30 Finanzmarktgesetze geändert oder neu erlassen. Zuletzt beschloss der Bundestag im Juni 2009 das so genannte Bad-Bank-Gesetz, das es Banken ermöglicht, ihre durch die Krise wertlos gewordenen Papiere auszulagern.
Als Reaktion auf die Banken- und Wirtschaftskrise wurde zunächst als Teil des ersten Konjunkturpakets das Kurzarbeitergeld von zwölf auf 18 Monate, im Mai 2009 sogar auf 24 Monate verlängert.
Mit einer Novelle des Arbeitnehmerentsendegesetzes, das Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen regelt, beschloss der Bundestag im April 2009 außerdem für sechs weitere Branchen die Einführung von Mindestlöhnen. Damit gelten nun im Bauhauptgewerbe, Elektrohandwerk, Bergbau, für Dachdecker, Gebäudereiniger, bei Briefdienstleistungen, Sicherheitsdiensten, Wäschereien, in der Abfallwirtschaft, in der Aus- und Weiterbildung sowie in der Pflege branchenspezifische Mindestlöhne.
Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, brachte die Bundesregierung außerdem eine Senkung der Lohnnebenkosten auf den Weg. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sanken von 6,5 auf 2,8 Prozent. Gleichzeitig jedoch stiegen die Rentenversicherungsbeiträge von 19,5 auf 19,9 Prozent.
Mit dem seit 2008 geltenden Altersgrenzenanpassungsgesetz beschloss der Bundestag außerdem die "Rente mit 67". Daneben wurde der so genannte Riester-Faktor in der Rentenformel für zwei Jahre ausgesetzt. 20 Millionen Rentner bekamen damit 2008 und 2009 einen außerplanmäßigen Zuschlag. Außerdem verhindert künftig eine Klausel, dass bei sinkenden Löhnen auch die Renten gekürzt werden.
Eines der größten und schwierigsten Reformvorhaben der Großen Koalition war die Gesundheitsreform, die zum 1. Januar 2009 in Kraft trat. Kernpunkt dabei war die Einführung des Gesundheitsfonds. Seitdem fließt ein einheitlicher Beitragssatz (von derzeit 15,5 Prozent des Bruttoeinkommens) in einen Fonds, aus dem die Krankenkassen bezahlt werden.
Ein Risikostrukturausgleich soll gleichzeitig dafür sorgen, dass keine Kasse benachteiligt wird. Versicherungspflicht, Wahltarife und mehr Freiheiten bei den Verträgen zwischen Kassen, Ärzten und Krankenhäusern sind weitere Eckpfeiler der Reform.
Darüber hinaus wurde auch die Pflegeversicherung reformiert: Mit einer Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrags zum 1. Juli 2008 um 0,25 Prozentpunkte auf 1,95 Prozent wurde der Leistungskatalog erweitert. So sollen demenzkranke und pflegebedürftige alte Menschen besser versorgt werden.
Beschlossen hat der Bundestag erstmals auch eine rechtlich bindende Patientenverfügung. Ärzte müssen nun für den Fall einer unheilbaren Krankheit den schriftlich verfassten Patientenwillen beachten. Drei Jahre später als geplant wird außerdem Ende 2009 auch die elektronische Gesundheitskarte eingeführt.
Die Große Koalition hat vor allem Regelungen zur Terrorabwehr verschärft: Lang war dabei besonders das Ringen um das geplante BKA-Gesetz. Am Ende trat zum 1. Januar 2009 ein Kompromiss in Kraft. Das neue Gesetz befugt nun das Bundeskriminalamt (BKA), vorbeugend gegen drohende terroristische Aktivitäten zu ermitteln. Dies war vorher ausschließlich Sache der Länderbehörden.
Zu den neuen präventiven Maßnahmen, die das BKA ergreifen darf, gehören akustische und optische Überwachung, die Wohnungs- und auch die Online-Durchsuchung - diese allerdings nur, wenn sie von einem Richter angeordnet wird.
Auch um ein anderes neues Sicherheitsgesetz wurde gestritten: Im November 2007 setzte der Bundestag eine EU-Richtlinie in deutsches Recht um und beschloss so, dass sämtliche Kommunikations-Verbindungsdaten ein halbes Jahr lang gespeichert werden müssen.
Damit sollen Ermittler europaweit Kontakte zurückverfolgen können. Noch beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht mit einer Klage gegen die so genannte Vorratsdatenspeicherung. Durch einstweilige Anordnung haben die Verfassungshüter die Anwendung der Daten bis zum Urteil eingeschränkt.
Im Mai 2009 verabschiedete der Bundestag ein Gesetzespaket zur Reform des Strafrechts, darunter Regelungen zum Umgang mit Kronzeugen und zu Absprachen im Strafprozess. Zudem wurde die gesetzliche Grundlage geschaffen, damit bereits die Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten wie etwa der Besuch eines "Terrorcamps" strafrechtlich verfolgt werden kann.
Eines der weitreichendsten Vorhaben der Großen Koalition war die Föderalismusreform I, die von Bundestag und Bundesrat im Juni und Juli 2006 beschlossen wurde und zum 1. September 2006 in Kraft trat. Sie ordnet die Zuständigkeiten von Bund und Ländern neu: So wurde die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze deutlich reduziert, während die Länder mehr Kompetenzen im Bereich der Bildungs- und Umweltpolitik erhielten.
Auf eine Neuordnung der Finanzbeziehungen einigten sich Bund und Länder mit der Föderalismusreform II im Frühjahr 2009. Kernstück dieser Reform ist die so genannte Schuldenbremse, die der Bundestag im Mai 2009 beschloss. Ab 2011 sollen Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden.
Im Zentrum der Reformen in der Familienpolitik stand die Einführung des Elterngeldes zum 1. Januar 2007. Nach dieser Regelung haben Eltern die Chance, eine bis zu 14 Monate lange Babypause einzulegen und während dieser Zeit 67 Prozent ihres vorherigen, pauschalierten Netto-Einkommens als Einkommensersatz ausgezahlt zu bekommen.
Mit dem Kinderförderungsgesetz beschloss der Bundestag am 26. September 2008 zudem den Ausbau von Betreuungsplätzen: Bis 2013 sollen für ein Drittel aller Kinder unter drei Jahren ein Platz in einer Kindertagesstätte oder bei einer Tagesmutter zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wurde zum 1. Januar 2009 das Kindergeld angehoben – um zehn Euro für das erste und das zweite Kind.
Im Koalitionsvertrag ganz oben stand die Weiterentwicklung des Klimaschutzes. Dazu einigten sich CDU/CSU und SPD auf ein Integriertes Energie- und Klimaprogramm. Bis 2020, so dessen Ziel, soll der Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent sinken.
Zum Erreichen dieses Ziels wurde zunächst der Emissionshandel verschärft: Seit 2008 bekommen Unternehmen Kontingente für den erlaubten Ausstoß von Kohlendioxid nicht mehr kostenlos, sondern müssen sie kaufen, ab 2010 ersteigern. Nach 2013 wird die Zahl der kostenpflichtigen Zertifikate verringert, bis alle Verschmutzungsrechte kostenpflichtig sind. Ausnahmen gelten allerdings für die energieintensive Schwerindustrie: Auch nach 2013 erhält sie weiter kostenlose Zertifikate.
Zum Wohle des Klimaschutzes umgestellt wurde auch die Berechnungsgrundlage der Kfz-Steuer: Seit 1. Juli 2009 ist bei Neuwagen nicht mehr der Hubraum entscheidend, sondern der Kohlendioxidausstoß eines Fahrzeugs. Auf ältere Pkw wird die Regelung später ausgedehnt.
Beschlossen hat der Bundestag auch das "Gesetz zur Änderung der Förderung von Biokraftstoffen". Allerdings wird nicht wie geplant, der Anteil der Biosprit-Beimischung auf zehn Prozent steigen. Im laufenden Jahr werden Benzin und Diesel nur 5,25 Prozent Biosprit beigemischt. 2009 soll der Anteil auf 6,25 Prozent steigen.
Wichtigster Baustein der Klimaschutzstrategie der Bundesregierung war der Ausbau der regenerativen Energien. Bis 2020 sollen 30 Prozent beim Strom aus Sonne, Wind oder Erdwärme kommen. Um dieses Ziel zu erreichen, novellierte der Bundestag am 6. Juni 2008 das so genannte Erneuerbare-Energien-Gesetz.
Danach müssen Versorger den Stromproduzenten einen festen Anteil des Ökostroms zu einem Fixpreis abnehmen, die Kosten für diese Einspeisevergütung werden über die Stromrechnung auf die Kunden umgelegt. Damit auch bei der Ökowärme der Anteil bis 2020 auf 14 Prozent gesteigert wird, müssen Bauherren seit Januar 2009 einen fixen Anteil aus erneuerbaren Energien decken.
Dem Ziel des Klimaschutzes sollte auch ein weiteres Reformvorhaben der Großen Koalition dienen: Der Bundestag beschloss ein umfangreiches Gebäudesanierungsprogramm, das im Zuge der Konjunkturpakete noch einmal aufgestockt wurde.
Eigentümer können nun bis 2011 auf Darlehen und Zuschüsse im Wert von rund vier Milliarden Euro zugreifen. Und noch eine Neuerung: Seit Anfang des Jahres brauchen alle Häuser und Wohnungen einen Energieausweis, wenn umgebaut, verkauft oder neu vermietet werden soll.