Gut ein halbes Jahr vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika beklagt einer der führenden Karikaturisten des Landes eine massive Verschlechterung des politischen Klimas in seiner Heimat. Nach dem Ende der Apartheid habe er „unter den ersten zwei Präsidenten der jungen Demokratie, Nelson Mandela und Thabo Mbeki, das Gefühl gehabt, sich frei ausdrücken zu können, doch habe sich dies in den vergangenen zwei Jahren geändert, sagt der unter seinem Künstlernamen Zapiro bekannte Jonathan Shapiro im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ vom 23. November 2009: "Viele, die wie ich in den Medien arbeiten, wurden plötzlich zu Feinden." Das Interview im Wortlaut:
Zapiro, Ihre äußerst bissigen Karikaturen in
südafrikanischen Zeitungen findet mancher hochrangige
Politiker gar nicht komisch - zum Beispiel Südafrikas
Präsident Jacob Zuma. Sind Sie gern unbequem und
unbeliebt?
Unbequem ja, aber unbeliebt bin ich nicht gern. Mir macht es überhaupt nichts aus, kontrovers diskutiert zu werden. Ich schrecke auch nicht davor zurück, harte Urteile zu fällen und dadurch anzuecken, das bringt der Job als Karikaturist so mit sich. Kurz nach den ersten freien Wahlen in Südafrika 1994 hatte ich das Gefühl, mit meinen Zeichnungen für die meisten zu sprechen. Meine Karikaturen standen irgendwie im Einklang mit der Marschrichtung Südafrikas, das heißt auch mit dem frisch in die Regierung gewählten ANC. Selbst bei scharfzüngigsten Zeichnungen und der härtesten Kritik - unter den ersten zwei Präsidenten der jungen Demokratie, Nelson Mandela und Thabo Mbeki, hatte ich das Gefühl, den Zeitgeist zu treffen und mich frei ausdrücken zu können.
Das hat sich nun geändert?
Das hat sich geändert in den vergangenen zwei Jahren. Der Kampf zwischen Thabo Mbeki und Jacob Zuma war so erbittert, dass einige Köpfe – nicht nur in der Politik – gerollt sind. Und viele, die wie ich in den Medien arbeiten, wurden plötzlich zu Feinden.
Haben Sie das Gefühl, selbst zum Feindbild der Regierung geworden zu sein?
Ja, einige in der Regierung betrachten mich als Feind. Nicht alle. Aber auch einige Zeitungsverleger und Radiostationen scheinen mich so zu sehen. Häufig sind das junge Leute, die nichts über meine Vergangenheit wissen. Das Apartheidregime sah mich auch als Feind, viele Weiße sahen mich als Verräter.
Bringt das nicht Ihr Job mit sich?
Schon. Nur ich habe mich immer als Teil der Linken gesehen, als Kämpfer gegen die Apartheid und jemand, der sich während der Übergangszeit vom Ende der achtziger Jahre bis 1994 für Veränderungen eingesetzt hat. Schon sehr bald nach 1994 habe ich die ersten korrupten Politiker erlebt, die vergessen hatten, wofür sie einmal standen. Natürlich ist es der Job eines Karikaturisten, den Finger in die Wunde zu legen. Zum Glück geht das auch in einer funktionierenden Demokratie. Nur der Freiraum, den ich zu Anfangszeiten unserer Demokratie hatte, war erheblich größer als jetzt. Unter Mandela gab es sogar Anerkennung für Kritiker.
Wird die Meinungsfreiheit in Südafrika 15 Jahre nach dem Ende der Apartheid also drastisch eingeschränkt?
Ich würde es etwas differenzierter ausdrücken und nicht melodramatisch klingen wollen. Aber das Klima hat sich eindeutig verändert. Ich finde es besorgniserregend, dass der Präsident es für nötig hält, diverse Journalisten zu verklagen, dass es beim öffentlich-rechtlichen Sender SABC eine Zensur vor Veröffentlichungen gibt und dass der ANC darüber nachdenkt, ein Mediengericht aufzubauen. Um es zusammenzufassen: Ja, ich denke, es gibt viele Alarmglocken, die läuten. Aber ich habe immer noch das Gefühl, dass ich weitgehend alles publizieren kann, auf jeden Fall weitaus mehr als andere in anderen Demokratien.
Eine Dokumentation über Sie ist jedoch kurzfristig vor der Erstausstrahlung, obschon für viel Geld vom SABC produziert, abgesetzt worden.
Der Sender wie auch so einige in der Regierung haben noch nicht richtig verstanden, was landesweiter öffentlich-rechtlicher Rundfunk leisten kann und sollte. So wie die sich aufführen, sollte man meinen, dass es sich um einen Staatssender handelt. Es ist, als ob sie der Vergangenheit angehörten. Das ist schlimm.
Zuma trägt in Ihren Zeichnungen einen Duschkopf auf seinem Schädel, weil er während eines Vergewaltigungsverfahrens sagte, er habe nach dem Geschlechtsverkehr mit einer HIV-positiven Frau geduscht, um das Infektionsrisiko zu mindern. Manche meinen, damit seien Sie gegenüber einem Präsidenten zu weit gegangen.
Zuma war einmal Vorsitzender des nationalen Aidskomitees. Ich musste ein starkes Symbol für seine Aussage finden. Inzwischen steht der Duschkopf für die manchmal sehr merkwürdigen Äußerungen Zumas. Er hat unter anderem seltsame und schlimme Dinge über Homosexuelle gesagt - zum Beispiel, dass er als junger Mann Schwule zusammengeschlagen habe, oder dass minderjährigen Müttern ihre Babys weggenommen werden sollten. Wenn er frei spricht, dann sagt er häufig sehr reaktionäre Sachen – Dinge, die im Widerspruch zu unserer Verfassung stehen. Der Duschkopf repräsentiert diese merkwürdigen Aussagen.
Sie haben und hatten diverse Klagen am Hals. Die derzeit teuerste wurde von Zuma angestrengt: Er verklagt sie auf rund 656.000 Euro wegen einer Karikatur, in der Sie ihn als Vergewaltiger der Justitia darstellen. Ist die Präsidenten-Provokation mittlerweile ein Hobby für Sie?
Ich hasse Zuma nicht, es geht da um nichts Persönliches. Mir geht es um eine politische Auseinandersetzung. Als er Präsident wurde, hatte ich das Gefühl, dass ich dem Rechnung tragen muss, wenn ich möchte, dass er und unsere Regierung erfolgreich sind - ich will ja nicht, dass sie versagen. Daher schwebt der Duschkopf nun über seinem Kopf mal näher, mal weiter entfernt. Er ist sozusagen mein persönliches Barometer für den Zustand der Nation. Ich sehe das auch als meine Aufgabe, als Karikaturist eine Bildsprache zu entwickeln, die den Puls der Nation misst.
Der Satiriker als Förderer demokratischer Prozesse?
So sehe ich es. Meine Karikaturen sind Teil eines nationalen Diskurses. Ich bin froh, dass ich diese Lösung mit dem schwebenden Duschkopf als erhobenem Zeigefinger und Warnsignal gefunden habe. Sie kommentiert, sie ist lustig, sie wirft Fragen auf.
Sie zeichnen gerade ihr 14. Buch, „Don't mess with the president's head“, in dem unter anderem der Abstand zwischen Zumas Kopf und Duschkopf von seinen zahlreichen Bodyguards vermessen wird. Es klingt, als ob das Buch Sie in weitere Schwierigkeiten bringen könnte.
Ich habe eine Leidenschaft für Politik und für alles, was um mich herum geschieht. Vor 25 Jahren wurde ich Antiapartheid-Aktivist. Die ersten zehn Jahre meines Berufslebens war ich wohl mehr Aktivist als Karikaturist. Die Umstände zu Apartheidzeiten machten mich dazu. Als ich zur Armee eingezogen wurde, musste ich eine Entscheidung fällen, entweder das Land zu verlassen oder Aktivist zu werden. Also weigerte ich mich, eine Waffe zu tragen oder zu benutzen.
Wie ist es ihnen dann ergangen?
Ich wurde fortwährend schikaniert. Aber irgendwie habe ich durchgehalten. Ich bin damals der Anti-Apartheidbewegung, der „United Democratic Front“, beigetreten. Ich wurde mehrmals festgenommen. Aber ich wusste, wo ich stehe. In den vergangenen Jahren hat sich viel verändert. Der Druck, der auf Kritiker ausgeübt wird, ist enorm gestiegen.
Wie sehen sie Südafrikas Zukunft?
Schwierige Frage. Ich glaube, dass wir auf des Messers Schneide stehen und man noch nicht sagen kann, wie es ausgeht. Es gibt ein paar Dinge, die sich seit den Wahlen im April entwickeln, und auf die setze ich. Einige Politiker sind nahbarer und scheinen tatsächlich Versprechen halten zu wollen. Und öffentliche Gelder sollen nicht mehr so verschwendet werden. So soll es für Parlamentarier keine Luxuskarossen mehr geben. Andererseits gibt es immer noch Vetternwirtschaft und Spezitum. 1994 war es einfacher zu sagen, wo wir hinsteuern. Auf jeden Fall gibt es Grund für Optimismus, aber auch jede Menge Platz für Kritik und Satire.