Beim Betreten des Paul-Löbe-Hauses über den
südlichen Eingang erblickt der Besucher oberhalb der Pforte
acht Kugelleuchten in zwei Viererreihen übereinander. Einzelne
der Lampen sind eingeschaltet und leuchten in den Primärfarben
Rot, Gelb und Blau, den Sekundärfarben Grün, Orange und
Violett oder - zwei von ihnen - in der Tageslichtfarbe Grau. Einige
der Lampen verlöschen zeitweilig, andere leuchten dafür
neu auf. Sie scheinen durch einen Regelungsmechanismus geschaltet
zu werden, doch bleibt dem Betrachter dessen Systematik
zunächst verborgen, sie ist offenkundig nicht vom Kommen und
Gehen der Besucher bestimmt. Erst wenn er sich weiter in das
Paul-Löbe-Haus hineinbegibt, entdeckt er beim Begehen von
einer der Treppen, daß sich auf der Etage oberhalb der beiden
Lampenreihen zwei Sitzbankreihen befinden und daß die
Bänke mit Sitzpolstern in den Farben der Kugelleuchten belegt
sind. Die Bänke stehen vor dem Sitzungssaal des Ausschusses
für Angelegenheiten der Europäischen Union, und
vielleicht läßt sich gerade - im Blick des Besuchers -
ein Politiker auf einer der Bänke nieder: Mit einem Mal
erschließt sich ihm, daß Bänke und Lampen gleicher
Farbe durch Berührungskontakte miteinander verbunden sind,
daß die Nutzung der Bänke die jeweils zugeordneten
Lampen aufleuchten läßt.
Dadurch daß die Künstlerin beide Bereiche voneinander getrennt hat, das farbige Lichtspiel einerseits, und dessen Auslösung andererseits, sieht jedoch derjenige, der auf den "Seats of Power" den Mechanismus auslöst so wenig die Folgen seines Tuns, wie derjenige in den "Spheres of Influence" im Besucherrestaurant oder vor der Pförtnerloge sich die Ursachen des Aufleuchtens der Lampen erklären kann. Die Entdeckung von dessen Ursache oder Sinn wird zusätzlich erschwert durch die Installation eines Zufallsgenerators, der die Lampen auch dann schaltet, wenn die Bänke längere Zeit nicht genutzt werden.
Mit dieser farbenfrohen und verspielten Installation will die Künstlerin, gleichsam mit leichter Hand, eine der Grundfragen unseres Lebens aufleuchten lassen, nämlich die des Handlungs- und Entscheidungsspielraumes des Einzelnen, die des problematischen Spannungsverhältnisses von Freiheit und Gesetz. Wie in vergleichbaren Installationen für die Messe in Leipzig ("Belisha Beacon Indicator System") oder die Sammlung der Südwest LB in Stuttgart ("Mat Light Pieces") ist der Betrachter ihrer Installationen aktiver Teilnehmer in einem offenkundig interaktiven Kunstwerk, gestaltet also mit, und ist doch zugleich ihm unbekannten Rahmenbedingungen und Regelungsmechanismen ausgesetzt, die seine Handlungsmöglichkeiten vorherbestimmen. Die Frage nach den Grenzen der eigenen Entscheidungsmöglichkeiten gewinnt ihr besonderes Gewicht im Paul-Löbe-Haus, dem Haus, in dem die Ausschüsse des Parlamentes tagen und Politik gestaltet wird. Auch formal nimmt die Künstlerin auf dieses Haus Bezug, verrät sich doch in der Zahl der acht Lampen eine Anspielung auf die Zahl der acht Turmrotunden mit den Ausschußsitzungssälen. Angela Bullochs Installation ist eine Mahnung, die Grenzen des Gestaltbaren in der Politik zu respektieren und sich der oft unvorhersehbaren Konsequenzen von Entscheidungen bewußt zu werden.
Text: Andreas Kaernbach
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages