Die "Sculpture Architecturale" aus den Jahren 1934/35 sollte
ursprünglich bis zu einer Höhe von 20 bis 30 Meter
ausgeführt werden. Obwohl es sich um eine Skulptur aus
abstrakten geometrischen Elementen handelt, bleiben die Verweise
auf Gegenständliches, etwa auf eine Säule, einen Helm,
einen Torso oder einen archaischen Thronstuhl, erkennbar. Eine
große, sich nach oben hin verjüngende Säule
hinterfängt eine kleinere, vielteilige Form, die aus teils
runden, teils eckigen kleinteiligen Elementen zusammengesetzt ist.
Die kompakte, geschlossene Form der Säule strahlt Ruhe aus und
kontrastiert auf diese Weise mit der sich auf den Betrachter hin
öffnenden Kleinskulptur und ihren unruhigen
Hell-Dunkel-Effekten.
Der Maler und Bildhauer Otto Freundlich gehört zur
"Pionier-Generation der Abstrakten" und fand insbesondere im
Bereich der Skulptur einen eigenständigen Weg zur Abstraktion.
Nicht nur aufgrund seines politischen Engagements geriet er in
Gegensatz zu den Nationalsozialisten. Seine Skulptur "Der neue
Mensch" aus dem Jahr 1912 wurde 1937 als Titelbild des
Ausstellungshefts "Entartete Kunst" anprangernd gezeigt. Er selbst
wurde im Konzentrationslager Lublin / Majdanek ermordet. Sein
tragisches Schicksal und die bis heute unzureichende Würdigung
seiner Persönlichkeit und seines künstlerischen Werkes
dürfen als beispielhaft angesehen werden für die Leiden
von Juden und Avantgardekünstlern unter der Herrschaft der
Nationalsozialisten.
geboren 1878 in Stolp, Pommern, ermordet 1943 in Lublin/Majdanek, Polen.
Text: Andreas Kaernbach
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages