Bundestagsvizepräsident Wolfgang
Thierse hält die Begrüßungsrede © DBT
zur Eröffnung der Ausstellung
Licht Bild Skulptur
Skulpturen von Bernhard Heiliger im Blick der
Fotografen
Sehr verehrte Frau Heiliger,
meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste,
ich freue mich, daß es mit dieser Ausstellung von Fotografien
der Skulpturen Heiligers gelungen ist, eine Brücke zu
bedeutenden Kunstereignissen in Berlin schlagen, besonders zu der
großen Heiliger-Retrospektive im Martin-Gropius-Bau. Für
diese Retrospektive habe ich gerne die Schirmherrschaft
übernommen, da ja der Deutsche Bundestag mit dem Werk Bernhard
Heiligers in besonderer Weise verbunden ist. Seine Skulptur "Kosmos
70" hat viele Jahre in der Westhalle des Reichstagsgebäudes
gehangen. Diese außergewöhnliche Skulptur wurde nunmehr
vom Deutschen Bundestag für die Retrospektive im
Martin-Gropius-Bau als Leihgabe zur Verfügung gestellt.
Natürlich ist es nicht möglich, in den bescheideneren
Ausstellungsräumen des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses eine
ähnlich glänzende Inszenierung zu gestalten, wie sie die
Hängung des "Kosmos 70" im Lichthof des Martin-Gropius-Baus
darstellt, dies besonders durch die dort so gelungene dramatische
Lichtführung. Aber immerhin ist hier dieser Skulptur ein
eigener Raum gewidmet, in dem Fotografien des Werkes die
Möglichkeit bieten, die einstige und die heutige Hängung
und ihre mediale Wiedergabe und Wirkung miteinander zu vergleichen.
So wird "Kosmos 70" zum Bindeglied zwischen der Retrospektive im
Martin-Gropius-Bau und der Ausstellung im
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus.
Durch die herausgehobene Präsentation der Skulptur soll auch
zur Diskussion angeregt werden über ihr weiteres Schicksal.
Seit dem Umbau des Reichstagsgebäudes durch Norman Foster
wurde sie nur noch einmal - allerdings nur in einem Teilstück
- der Öffentlichkeit gezeigt, nämlich in der Kunst- und
Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn. Ich
würde es gerne sehen, wenn dieses Symbol des Freiheitswillens
und der demokratischen Gesinnung wieder einen herausgehobenen Platz
in den Parlamentsbauten finden würde. Ihre ästhetisch so
gelungene Gestalt, wie sie in der filigranen Struktur und im
Eindruck des Schwebens zum Ausdruck kommt, aber vor allem ihr
geistig-politischer Gehalt verdienen es, eine solches Projekt zu
verfolgen. Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages hat die
Skulptur "Kosmos 70" ja nicht zuletzt deshalb gerne als Leihgabe
zur Verfügung und damit zur Diskussion gestellt, weil er damit
eben nicht nur eine ästhetische Würdigung des bedeutenden
bildhauerischen Werkes von Bernhard Heiliger vornehmen wollte,
sondern vor allem weil er sich zutiefst angesprochen fühlte
von Heiligers besonderer Gabe, Skulpturen zu bildkräftigen
Symbolen zu überhöhen für die Werte, die unser
demokratisches Gemeinwesen auszeichnen, die unsere Gesellschaft
zusammenhalten. In gleicher Weise sind viele seiner Skulpturen im
öffentlichen Raum Symbole für die Empfindungen der
Menschen geworden, Symbole, die ihren Geist sowohl wie ihr Herz
ansprechen.
Ein Politiker, der den Herzen der Menschen in Berlin sehr nahe
stand, war der große sozialdemokratische Bürgermeister
von Berlin Ernst Reuter. Von ihm schuf Bernhard Heiliger eine
seiner ausdruckstärksten Porträtstudien. Der im doppelten
Sinne des Wortes ergreifende Ausdruck des Porträtkopfs
erfährt in der großartigen Fotografie von Edmund Kesting
noch eine Steigerung. Sie können die Fotografie des
Porträtkopfes von Ernst Reuter in dieser Ausstellung
bewundern.
Sie lädt ein, den Menschen und den Politiker Ernst Reuter zu
ergründen, nachzudenken über den Ernst und die
Entschlossenheit, die aus diesem Gesicht sprechen und seine
visionäre Strahlkraft auf sich wirken lassen. So gerät
unter den Händen Bernhard Heiligers schon ein Porträt zum
Symbol einer Vergeistigung des Politischen. Mit diesem Werk gelang
Bernhard Heiliger früh eine Würdigung Ernst Reuters, die
schließlich zum Ausgangspunkt für die Entstehung der
Skulptur "Flamme" auf dem Ernst-Reuter-Platz wurde. Bis heute
kündet die so bildhafte und symbolkräftige
Veranschaulichung einer Flamme und eines Flügelpaares von der
jahrzehntelangen Hoffnung der Menschen in Berlin auf ein Leben in
Freiheit, ohne Mauer und ohne die Bedrohung durch ein
Unrechtsregime. Der Porträtkopf sowohl wie die "Flamme" rufen
bildmächtig Erinnerungen an Ernst Reuter und sein politisches
Wirken wach, an einen Bürgermeister, der wie vielleicht nur
noch Willy Brandt den Überlebenswillen der Berliner, ihren
Kampf für die Freiheit verkörperte.
In vergleichbarer Weise findet der Wille der Deutschen zu Freiheit
und Selbstbestimmung seine Verkörperung in der Skulptur
"Kosmos 70". Bernhard Heiliger hat sie in enger Zusammenarbeit mit
dem Architekten Paul Baumgarten konzipiert. Wie dieser in seiner
Sprache, in der Formensprache der Architektur, durch eine
großzügige Öffnung des Hauses mit bis zur Decke
reichenden Glaswänden den Geist der Freiheit beschworen hat,
so hat Bernhard Heiliger mit einer neuen skulpturalen Sprache die
Wertevorstellungen einer demokratischen Verfaßtheit und eines
auf Freiheit gerichteten Zukunftswillens versinnbildlicht. Er hat
auf diese Weise geradezu ein Gegensymbol zur geistig einengenden,
mauerbauenden Inhumanität der in Ostberlin Herrschenden
geschaffen. Noch heute vermag die Skulptur zu bestechen, ja zu
bezaubern durch ihre filigrane Leichtigkeit, ihre dynamisch
aufwärtsstrebende Beschwingtheit, die den Aufbruchswillen, den
Optimismus und die freudige Zukunftserwartung dieser Zeit
widerspiegelt.
Es wäre für uns alle ein Gewinn, wenn durch das
gemeinsame Ausstellungsprojekt im Martin-Gropius-Bau und im
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus das bildhauerische Werk Bernhard
Heiligers und zugleich seine mit dem Werk verbundene, im Werk sich
materialisierende geistige Haltung in Gegenwart und Zukunft die
verdiente Würdigung erfahren würden. Und nicht zuletzt
wäre es ein Gewinn für unser Land, wenn durch solche
Ausstellungen immer wieder zum gedanklichen Austausch angeregt
würde, der das eigene Handeln im Raume der Kunst als auch die
politischen Entscheidungen im Parlament zum Gegenstand
hätte.
Nun habe ich, von dem Eindruck der Skulpturen Bernhard Heiligers
gefesselt, meine Aufmerksamkeit auf diese gerichtet und dabei ihre
kongeniale Umsetzung in die künstlerische Fotografie
unberücksichtigt gelassen. Deren Beschreibung und
Würdigung überlasse ich lieber einem so ausgewiesenen
Wissenschaftler wie Herrn Janos Frecot.
Mein Dank gilt der Bernhard-Heiliger-Stiftung dafür, daß
sie dieses bedeutende Werk pflegt und die überwiegende Zahl
der hier ausgestellten Fotografien aus ihren Beständen zur
Verfügung gestellt hat. Mein Dank gilt insbesondere Herrn
Janos Frecot, dem verdienten Gründer der fotografischen
Sammlung der Berlinischen Galerie, der zur Kuratierung dieser
Ausstellung gewonnen werden konnte.