Stellungnahme der Kinderkommission
des Deutschen Bundestages
zum Thema „Kinder und Sport“
Sport zu treiben ist nach wie vor die liebste Freizeitbeschäftigung der Kinder und Jugendlichen. Nationale und internationale wissenschaftliche Studien, Erkenntnisse von Ärzten und Krankenkassen belegen eindeutig, dass Sport und Bewegung sich positiv auf die Gesundheit, die Leistungs- und Lernfähigkeit auswirken. In unserer hochzivilisierten, in hohem Maße technisierten und arbeitsteiligen Gesellschaft haben aber Sport, körperliche Tätigkeit und damit Bewegung zunehmend an Bedeutung verloren, während Bewegungsmangel und Fehlernährung zu diversen Erkrankungen führen.
Die Infrastruktur wohnortnaher Sportstätten soll eine Vielfalt an sportlichen Möglichkeiten und ein bewegungsfreundliches Umfeld ermöglichen. Bewegungsräume wie Spiel-, Bolz- und Sportplätze stehen allerdings vielfach nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung. Gerade in Problemquartieren fehlen Grün- und Freiflächen sowie Spiel- und Bewegungsräume.
Dabei bietet der Sport vielfältige Chancen für Kinder. Durch ihn kann z. B. die Integration von ausländischen Kindern und Jugendlichen besser gelingen, denn der Sport führt Kinder unterschiedlichster sozialer und gesellschaftlicher Herkunft zusammen. Er macht ungezwungene menschliche Kontakte möglich, verringert Sprachbarrieren und Schwellenängste und hat in den vergangenen Jahren einen aktiven und erfolgreichen Beitrag zu Bekämpfung von Gewalt, Diskriminierung, Ausländerfeindlichkeit und Drogen geleistet.
Die Kinderkommission hat sich deshalb mit dem Thema „Kinder und Sport“ beschäftigt und dabei die Aspekte „Fitnesszustand und Ursachen/Folgen von Bewegungsmangel“, „Sucht- und Gewaltprävention durch Sport“ sowie „Integration durch Sport“ näher beleuchtet.
Dazu hat sie diverse Experten eingeladen, durch deren Anhörung sie zu folgenden Erkenntnissen kam:
die sportmotorischen Fähigkeiten der 9- bis 16-jährigen Mädchen und Jungen haben in den letzten vier Jahren kontinuierlich abgenommen, wobei der Rückgang bei jüngeren Altersgruppen stärker als bei Älteren ist;d
nicht zuletzt durch das Wegbrechen der Alltagsbewegung werden die Kinder zu passiv sitzenden Stubenhockern;
unumstritten ist der Einfluss des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens. Die „moderne“ Umwelt der Kinder mit einem hohen Fernseh- und Computerkonsum spielt dabei eine entscheidende Rolle;
die Folgen des Bewegungsmangels sind u. a.: Adipositas, Diabetes, Herz-, Kreislauferkrankungen, Haltungsschäden, psychosomatische Erkrankungen sowie schlechtere Schulnoten;
die regelmäßige, längerfristige Teilnahme an Sportangeboten kann das Sozialverhalten positiv beeinflussen und stärken, weil hier die Fähigkeiten zu kooperieren, Dinge auszuhandeln, Regeln zu lernen, sie auch selbst aufzustellen und sich dann daran zu halten, gefördert werden;
durch Sport lernen Kinder Verantwortung zu übernehmen, ihr Durchhaltevermögen zu steigern und Grenzen zu erkennen, teamfähig zu werden und auch mit Frust und Konflikten umzugehen;
keine andere Institution als der Sportverein erreicht auf freiwilliger Basis so viele Kinder und Jugendliche;
der Wunsch der Kinder nach mehr Sport ist da, allerdings fehlt es an Angeboten, die vorhandenen Angebote richten sich meist an die Jungen, spezielle Angebote für Mädchen, insbesondere mit Migrationshintergrund, fehlen oft;
zur Suchtprävention ist es notwendig, den Kindern so früh wie möglich beizubringen, auch „nein“ sagen zu können;
hinsichtlich der Integration durch Sport ist die Förderung des Dialogs zwischen Aufnahmegesellschaft und Zielgruppe sowie die Entwicklung von gegenseitiger Akzeptanz und die Schaffung von überdauernden Integrationsstrukturen wichtig;
in allen Bereichen erweist sich ein dichtes Netzwerk zwischen Vereinen, Jugendamt und Schulen als besonders erfolgreich;
Eltern wirken als Vorbilder, wenn sie viel Sport treiben und die Freizeit bewegungsorientiert verbringen, überträgt sich dies auf die Kinder.
Deshalb fordert die Kinderkommission:
Überprüfung der motorischen Fähigkeiten durch einen bundesweiten Fitnesstest,
mehr geschlechts- und altersspezifische Angebote, besonders für Mädchen bzw. Migrantinnen,
die Veränderung der Trainerausbildung dahingehend, dass Aspekte wie Sucht-/Gewaltprävention und Integration mit hereingenommen werden,
die Vernetzung und Kooperation zwischen Vereinen, Jugendamt und Schulen weiter zu forcieren,
bei allen politischen Entscheidungen, die das Wohn- und Bewegungsumfeld der Kinder betreffen, auf den Bewegungsdrang der Kinder Rücksicht zu nehmen,
Städte und Kommunen wieder bewegungsfreundlicher für Kinder zu gestalten,
die Ausrufung eines „kommunalen Tag des Kindes“ durch die Kommunen, der aus einem Mix aus wissenschaftlichen Vorträgen, Bewegungsparcours, Elterndiskussionen, Zirkus, Artistik etc. besteht,
eine stärkere Bereitschaft bei Bund, Ländern, Kommunen und Vereinen, gute Projekte zu unterstützen,
Projekte wie den Mitternachtssport in Frankfurt als offenes Sportangebot zu unterstützen, bekannter zu machen und das Konzept auf andere Städte zu übertragen,
mit den Ländern zu beraten, wie im vorschulischen, schulischen und außerschulischen Bereich mehr körperliche Bewegung gefördert werden kann,
die Länder aufzufordern, mehr Sportunterricht in den Schulplan einzubauen,
die Schaffung qualitativ guter Bewegungsmöglichkeiten in den Schulen, besonders auch in Ganztagsschulen,
den Sportunterricht möglichst nicht fachfremd zu erteilen,
Förderung der Bewegungserziehung des Sports in Kindergärten und Schulen,
Förderung von Bewegungskindergärten,
Kinderspiele und laute Sportausübung von Kindern zu akzeptieren,
Aufklärung und Sensibilisierung von Eltern, Großeltern über die Bedeutung der Bewegung,
Stärkung der Motivation der Eltern, sich mehr mit ihren Kindern gemeinsam zu bewegen,
eine deutlichere Anerkennung von ehrenamtlichem sozialem Engagement von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund beim Sport,
die Evaluation von vorhandenen positiven Projekten.