Der Bundestag hat in seiner 43. Sitzung am 29. Juni 2006 auf Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses (Bundestagsdrucksache 16/1800) 62 weitere Einsprüche gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl 2005 einstimmig zurückgewiesen.
Allein 25 Einsprüche betrafen die Nachwahl im Wahlkreis Dresden I infolge des Todes einer Wahlkreisbewerberin kurz vor der Wahl. Gerügt war insbesondere, dass das Ergebnis der Hauptwahl vom 18. September 2005 bereits vor der Nachwahl am 2. Oktober 2005 ermittelt bzw. bekannt gemacht worden war. Der Bundestag hat demgegenüber festgestellt, dass Bundeswahlgesetz und Bundeswahlordnung eine spätere Ermittlung oder Bekanntgabe nicht zugelassen hätten. Ebenso wenig wäre es zulässig gewesen, nur die Wahl der Erststimmen zu verschieben und die Wähler im Wahlkreis Dresden I ihre Zweistimmen bereits am 18. September abgeben zu lassen. Ob diese Gesetzeslage im Einklang mit dem Grundgesetz steht, kann letztlich allein das Bundesverfassungsgericht entscheiden, an das sich die Einspruchsführer nun nach der Entscheidung des Bundestages im Wege der Wahlprüfungsbeschwerde wenden können. Der Bundestag selbst zweifelt aber nicht an der Verfassungsmäßigkeit der Nachwahl und der ihr zugrunde liegenden Vorschriften. Zwar hat die Kenntnis des Ergebnisses der Hauptwahl den Wählern in Dresden ermöglicht, taktisch zu wählen. Eine dadurch möglicherweise bewirkte Beeinträchtigung des Grundsatzes der Erfolgswertgleichheit aus Art. 38 Absatz 1 Grundgesetz ist aber jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Ob der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsermessens die Vorschriften über die Nachwahl ändern sollte, um taktisches Stimmverhalten möglichst auszuschließen, ist eine Frage, die nicht im Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens, aber auf jeden Fall demnächst durch den Gesetzgeber gesondert zu prüfen ist.
Ebenfalls zurückgewiesen wurden drei Einsprüche, in denen behauptet wurde, es hätten in großer Zahl Personen an der Wahl teilgenommen, die nicht mehr im Besitz des Wahlrechts gewesen seien, weil sie nach ihrer Einbürgerung wieder die türkische Staatsangehörigkeit angenommen hätten. Die Einspruchsführer, so der Bundestag, haben insoweit nur die Möglichkeit solcher Wahlteilnahmen aufgezeigt, nicht aber, dass sie tatsächlich stattgefunden haben. Nicht ein einziger Fall ist substantiiert dargetan worden. Allerdings soll die Bundesregierung im Hinblick auf künftige Wahlen prüfen, wie sichergestellt werden kann, dass keine Personen an Wahlen teilnehmen, die aufgrund der Erlangung einer fremden Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit verloren haben.
Nachdem der Bundestag bereits am 30. März 2006 über 51 Wahleinsprüche – darunter solche zur Verwechslung von Stimmzetteln bei der Versendung von Briefwahlunterlagen der beiden Dortmunder Wahlkreise – entschieden hatte (Bundestagsdrucksache 16/900), ist noch über 82 der insgesamt 195 Einsprüche zu beraten. Zu den noch zu behandelnden Themen gehören die Zulassung von Mitgliedern der WASG auf Listen der Linkspartei und der Einsatz von Wahlgeräten.