CONTERGAN
Wie die Geschädigten das neue Vermögen der Stiftung erhalten, ist weiter unklar
Die Aufstockung des Vermögens der Contergan-Stiftung und die aus diesem Grund geplante Gesetzesänderung werden grundsätzlich begrüßt. Der Großteil der Sachverständigen bezeichnete am 4. Mai in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses die Erhöhung des Stiftungsvermögens durch die Firma Grünenthal und den Bund um 100 Millionen Euro und die damit verbundenen höheren Zahlungen an Betroffene als überfällig. Uneinig blieben sie, ob das Vermögen sofort an die Opfer des Arzneimittelskandals der 1960er Jahre ausgezahlt oder in jährlichen Sonderzahlungen über 25 Jahre gestreckt werden soll.
Margit Hudelmaier vom Bundesverband Contergangeschädigter sagte, die Öffentlichkeit nehme die Betroffenen oft als Behinderte war, die ihr Leben trotz starker Beeinträchtigungen gut meisterten. Das Leiden der Menschen werde aber nicht wahrgenommen. Den Begriff der "monatlichen finanziellen Unterstützung", wie er in dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ( 16/12413) verwendet wird, lehne der Bundesverband jedoch als "zu negativ" ab, so Hudelmaier. "Zuerst wurde ein Verbrechen an uns verübt, dann wurden wir entrechtet und jetzt leben wir in Armut", beklagte Gihan Higasi, die selbst durch Contergan geschädigt wurde. Sie forderte, dass die Opfer zwischen einer sofortigen Auszahlung, einer Entschädigung und jährlichen Sonderzahlungen wählen dürfen.
Im Gesetzentwurf vorgesehen sind jährliche Sonderzahlungen an die Betroffenen über einen Zeitraum von 25 Jahren. Zudem sollen durch die Stiftung nur noch Projekte gefördert werden, die ausschließlich contergangeschädigten Menschen zugute kommen. Bisher bezieht sich die Projektförderung generell auf behinderte Menschen. In einem Antrag fordert die Fraktion Die Linke ( 16/11639) eine sofortige Auszahlung der von der Firma Grünenthal zur Verfügung gestellten 50 Millionen Euro sowie eine Erhöhung der bisherigen Entschädigungsleistungen um 50 Prozent.
Professor Hans Karbe vom Neurologischen Rehabilitationszentrum "Godeshöhe" gab zu Bedenken, dass die Beschränkung der jährlichen Sonderzahlung auf 25 Jahre zu kurz gedacht sein könnte. "Contergangeschädigte haben durchschnittlich eine normale Lebenserwartung und werden auch in 25 Jahren noch Bedarf haben", prognostizierte Karbe.
Die Experten betonten, die Ausschlussfrist für Anträge an die Stiftung müsse aufgehoben werden. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sieht derzeit vor, dass Betroffene, die bisher aufgrund der Ausschlussfrist keine Anträge auf finanzielle Unterstützung an die Stiftung stellen konnten, dieses bis Ende 2010 nachholen können. Die Fraktion Die Linke fordert, die Ausschlussfrist aufzuheben.