Japanischer Steingarten im
Jakob-Kaiser-Haus © DBT/Deutsch
Nach 1945 glichen infolge der Zerstörungen des Zweiten
Weltkrieges viele deutsche Städte Trümmerwüsten. Ihr
Wiederaufbau war einer der größten Herausforderungen der
deutschen Nachkriegspolitik. Die Bauten jener Zeit spiegeln in
ihrer bescheidenen, ja kargen Ausstattung die allgemeine Not und
insbesondere die Knappheit der öffentlichen Kassen wider. Um
so beindruckender ist jener Beschluss des Deutschen Bundestages vom
25. Januar 1950, einen Teil der Bausumme öffentlicher Bauten
für Kunst aufzuwenden. "Um die bildende Kunst zu
fördern", beschloss das Parlament, bei allen Bauaufträgen
des Bundes grundsätzlich einen Betrag von mindestens einem
Prozent der Bausumme für Werke bildender Künstler
vorzusehen. Später wurde der Betrag auf zwei Prozent
erhöht. Diese gesetzliche Regelung sollte dazu beitragen, das
von den Nationalsozialisten zur Verödung gebrachte Kulturleben
mit neuen Impulsen zu versehen. Zugleich sollte den in Not
geratenen Künstlern eine soziale Hilfe geboten werden, da sich
bis dahin in Deutschland noch kein funktionierenden Kunstmarkt
wieder hatte etablieren können.
Kunst gehört dorthin, wo Menschen
zusammenkommen
Der Berichterstatter des Ausschusses für Kulturpolitik
begründete am 25. Januar 1950 die Notwendigkeit dieser
Regelung aber noch mit einem weiteren, über den Gesichtspunkt
zeitbedingter und sozialer Maßnahmen hinausgehenden Argument.
Er verwies in seinen Ausführungen darauf, dass die Kunst
für die ganze Gesellschaft eine sensibilisierende, den
Erfahrungshorizont erweiternde Kraft besitze: "Kunst gehört
ins Volk, Kunst gehört dorthin, wo Menschen zusammenkommen. Es
ist außerordentlich wichtig, wenn an Straßenecken und
Brücken, wo tagtäglich Tausende von Menschen
vorübergehen, Kunstwerke hohen Ranges aufgestellt sind und sie
zum Erlebnis besonders der heranwachsenden Generation gemacht
werden."
Zeit tiefer sozialer Not
Der damalige Beschluss des Deutschen Bundestages stellte ein
beeindruckendes Bekenntnis zum hohen Stellenwert öffentlicher
Kulturpflege auch in Zeiten tiefer sozialer Not dar. Die Regelung
wurde nach mehrfacher Überarbeitung die Richtlinie "K 7 der
RBBau" und prägte fortan das Erscheinungsbild der Bauten des
Bundes. Sie wurde in der Folgezeit für öffentliche Bauten
von Ländern und Kommunen übernommen.
Bloße dekorative Ergänzung
Es fanden sich jedoch bald Kritiker dieser Regelung, da die
Ergebnisse der Auswahlverfahren zur Vergabe von Kunstaufträgen
nicht durchweg überzeugten. Mehrere Gründe waren für
diese Entwicklung maßgebend: Von Interessengruppen -
Architekten, Künstlerverbänden, Bauherren -
beeinflußte Jury-Verfahren führten dazu, dass oft eher
regionale Künstler zweiten Ranges beauftragt wurden. Zudem
wurden die Künstler meist zu spät in die Bauplanungen
einbezogen, ihre Kunst von den Architekten als unerwünschter
Eingriff in das Ideal reiner Funktionalität des Bauwerkes
betrachtet, so dass viele Kunstwerke bloße Applikation
blieben, die - als dekorative Ergänzung - an unsensibel
gestalteten Bauten nachträglich angebracht wurden. Sie
ließen den eigentlichen Anspruch der "Kunst am Bau", einen
Bezug zum Gebäude, zum weiteren architektonischen und
stadträumlichen Umfeld herzustellen, vermissen.
Jurys besetzt mit anerkannten
Kunstfachleuten
Wenig später stehen sachkundige Jurys, besetzt mit anerkannten
Kunstfachleuten, zur Verfügung, ist der Mut zur Beauftragung
auch überregional bedeutender Künstler und die Erkenntnis
der Notwendigkeit bau- und umfeldbezogener Entwürfe gewachsen.
Vorbildlich für diese erweiterte Perspektive wurde das vom
Hamburger Senat 1981 begründete Programm "Kunst im
öffentlichen Raum". Dennoch besteht weiterhin die
grundsätzliche Problematik, dass Künstler internationalen
Ranges sich ungern Wettbewerben stellen und daher oft bei Kunst-am
Bau-Aufträgen nicht beteiligt sind. Dennoch haben inzwischen
wohl die meisten der führenden Künstler der
Bundesrepublik Deutschland wenigstens einmal die Chance zur
Integration ihrer Kunst in Architektur erhalten.
Kulturpolitisch verantwortungsbewusst und weitsichtig
handeln
Die jährlichen Bundesausgaben für
Kunst-am-Bau-Aufträge beliefen sich nach Schätzungen des
Bundesbauministeriums Anfang der 90er Jahre auf etwa acht Millionen
DM, eine mit Blick auf das staatliche Gesamtbudget und selbst mit
Blick auf die öffentlichen Kulturausgaben kaum beachtliche
Summe. Dennoch geriet die K 7-Richtlinie in die Gefahr, Opfer
staatlicher Sparmaßnahmen zu werden. Das
Bundesfinanzministerium schlug im Jahre 1993 vor, die Richtlinie
aufzuheben. Nach Protesten von Künstlerverbänden und
Parlamentariern einigten sich Bauministerium und
Bundesfinanzministerium 1994 auf einen Kompromiss: Die Richtlinie
blieb erhalten, lediglich die Zwei-Prozent-Grenze entfiel. Es
war daher von entscheidender Bedeutung, dass sich der Deutsche
Bundestag bei der Planung seiner Neubauten in Berlin zu seiner
kulturpolitischen Verantwortung bekannt hat und für die
Parlamentsbauten im Spreebogen zwei bis drei Prozent der
anrechenbaren Bausummen für Kunst zur Verfügung gestellt
und zugleich durch die Entwicklung und Umsetzung überzeugender
Kunst-am-Bau-Konzepte ein Zeichen für die vitale Bedeutung
staatlicher Kulturförderung gesetzt hat. Der mutige und
wegweisende Beschluss des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 1950,
ist gerade in der heutigen Zeit zwingend notwendiger
Sparmaßnahmen eine bindende Verpflichtung, in gleichem
Maße kulturpolitisch verantwortungsbewußt und
weitsichtig zu handeln.
Andreas Kaernbach