EUROPA
Die höchsten EU-Posten haben Männern inne. Nach Meinung weiblicher EU-Politiker darf das nicht so bleiben
"250 Millionen Frauen in der EU. Und nicht eine einzige ist gut genug?" Mit dieser provokanten Frage wirbt die dänische Europa-Abgeordnete Christel Schaldemose derzeit um Unterstützung für ihre Online-Petition "Females in Front". Seit dem 4. Juni haben mehr als 15.000 Unterstützer unterschrieben - Ziel sind eine Million Unterschriften.
"Wenn man sich EU-Bilder ansieht, dann wird gleich sichtbar, dass es früher gar keine Frauen in Spitzenämtern gab und bis heute nur sehr wenige vertreten sind", erläutert die 41-jährige Sozialdemokratin ihre Aktion. Zur Illustration zeigt die Politikerin auf Homepage zwei Fotos, die fast keine Frauen zeigen - eines von der Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 und eines aus Lissabon 2007.
Angesichts des irischen "Nein" zum neuen EU-Vertrag scheint Schaldemose eine Feminisierung der EU umso dringlicher. "Die Menschen müssen sich doch in der EU stärker vertreten fühlen", sagt sie. Seit 50 Jahren sei das Bild der politischen Führung in Europa nahezu unverändert geblieben. Deshalb sei es an der Zeit, zumindest für einige der bald zu besetzenden EU-Top-Posten Frauen in den Blick zu nehmen. Bei der Kandidaten-Suche werde zwar die Frage diskutiert, ob kleine und große Länder ausreichend berücksichtigt würden. "Aber das Geschlecht ist bisher kein Kriterium", rügt die Dänin.
"Von einem Männer-Kartell in der EU", spricht gar die schwedische EU-Kommissarin Margot Wallström, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Union. Die stellvertretende Kommissionspräsidentin ist empört, dass beim Kandidaten-Karussel für den künftigen Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik immer nur von "Mr. Right" oder "Mr. Europe" die Rede ist: Neben Tony Blair, Jean-Claude Juncker, Anders Fogh Rasmussen und Wolfgang Schüssel fiel nicht ein einziger Frauenname.
Dass auch eine "Mrs. Right" oder "Mrs. Europe" in Frage kämen, war kaum Gegenstand der Debatte. Dabei gäbe es mit der finnischen Präsidentin Tarja Halonen, der früheren Präsidentin von Lettland, Vaira Vike Freiberga, der griechischen Außenministerin Dora Bakoyannis oder der italienischen Politikerin Emma Bonino auch qualifizierte weibliche Alternativen.
Eigentlich sollten in den nächsten Monaten neben dem EU-Chefdiplomaten auch der EU-Ratsvorsitzende, der Präsident des Europaparlaments und ein neuer EU-Kommissionspräsident neu berufen werden. Angesichts der jüngsten EU-Krise ist nun allerdings unklar, ob die vier prestigeträchtigen Posten überhaupt vergeben werden können. Eine EU-Kommissionspräsidentin gab es in 50 Jahren noch nie und im Europaparlament sind weniger als ein Drittel der Abgeordneten Frauen.
Hauptproblem sei nicht der Mangel an geeigneten Frauen, sondern dass Männer vor allem Männer auswählen, rügt Wallström. So sind nur neun der 27 EU-Kommissare weiblich. Dabei gelten gerade die niederländische Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, die Dänin Mariann Fischer Boel für Landwirtschaft und die bulgarische EU-Kommissarin für Verbraucherschutz, Meglena Kuneva, als Leistungsträger. Deshalb ließ sich kürzlich sogar das konservative Wirtschaftsmagazin "Economist" zu dem Urteil hinreißen, dass "abseits der üblichen feministischen Propaganda" Margot Wallström in einem wichtigen Punkt Recht habe: "Es ist empörend, dass keine Frau für einen der wichtigsten Europa-Posten im Rennen ist."
Gleiches Bild in den Hauptstädten Europas: In den nationalen Regierungen sind weniger als ein Viertel der Kabinettsmitglieder Frauen. Lediglich in Finnland und Spanien sind Frauen im Kabinett in der Mehrheit. Absolutes Schlusslicht ist Rumänien, wo nur Männer regieren. Während Deutschland als einziges europäisches Land mit Angela Merkel als Regierungschefin glänzt, gibt es mit Mary Robinson in Irland und Tarja Halonen in Finnland immerhin weibliche Staatsoberhäupter. In den Parlamenten ist es kaum besser: In nur fünf EU-Ländern stehen Frauen an der Spitze, in den Niederlanden allerdings gleich in beiden Kammern.