Insolvenzordnung
Alle gesetzlichen Krankenkassen können künftig pleite gehen
Die Einführung des Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2009 rückt näher. Der Bundestag beriet am 19. Juni in erster Lesung einen Gesetzentwurf der Bundesregierung ( 16/9559), der eine bisherige Ungleichbehandlung von Kassenarten aufhebt und damit als wichtiger Schritt auf dem Weg zum geplanten Gesundheitsfonds gilt. Unterdessen schmetterten im Gesundheitsausschuss Union und SPD am 18. Juni zwei Anträge von FDP ( 16/7737) und Bündnis 90/Die Grünen ( 16/8882) ab, die zum Ziel hatten, den Gesundheitsfonds zu stoppen.
Mit dem Gesundheitsfonds soll es künftig einen einheitlichen Krankenkassenbeitrag geben, der noch festgelegt werden muss. Die Kassen erhalten aus dem Fonds für ihre Versicherten Pauschalen sowie alters- und risikobezogene Zuschläge. Kassen, die damit nicht auskommen, müssen für ihre Versicherten Zusatzprämien erheben. Gut wirtschaftende Kassen können auf der anderen Seite geleistete Beiträge zurückzahlen.
Nach den Plänen der Regierung fallen von Januar 2010 an alle gesetzlichen Krankenkassen in den Anwendungsbereich der Insolvenzordnung. Das heißt, dass auch Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK) und regionale Versicherungen pleite gehen können. Insolvenzfähig waren bislang nur Kassen unter Aufsicht des Bundes wie DAK, Barmer und Techniker Krankenkasse. In Zukunft sollen bei der Pleite einer der 16 Ortskrankenkassen oder anderer Kassen unter Landesaufsicht nicht mehr die Bundesländer, sondern die Krankenkassen der jeweiligen Kassenart haften - etwa andere Ortskrankenkassen. Wenn diese damit überfordert sind, sollen notfalls alle Krankenkassen einspringen.
Versicherten, Ärzten und Kliniken sollen durch die Neuregelung keine Nachteile entstehen. Die Haftung der Bundesländer für Versorgungsansprüche und Insolvenzgeld der Kassenmitarbeiter entfällt laut Entwurf bereits zum geplanten Start des Gesundheitsfonds am 1. Januar 2009. In Deutschland gibt es neben den Ortskrankenkassen Ersatzkassen, Betriebs- und Innungskrankenkassen.
Verbunden sind mit dem Gesetzentwurf auch Schutzmaßnahmen, die verhindern sollen, dass es überhaupt zu einer Kasseninsolvenz kommt. So sollen etwa die Ortskrankenkassen untereinander Verträge über Finanzhilfen abschließen können. Notfalls soll es auch finanzielle Hilfen aller im Spitzenverband Bund organisierten Kassen geben, um beispielsweise Fusionen klammer Kassen mit finanzstärkeren zu fördern.
Hintergrund des Gesetzentwurfs ist, dass Kassen wie die AOK keine Rückstellungen für Pensionsansprüche für ihre insgesamt rund 10.000 Mitarbeiter gebildet haben. Sie sollen dafür nun 40 Jahre Zeit bekommen. Allein den Ortskrankenkassen fehlen rund acht Milliarden Euro. Bislang bestritten die betroffenen Kassen die Pensionsansprüche aus laufenden Verwaltungskosten. Unter den Bedingungen des Insolvenzrechts müssen diese aber in die Bilanz aufgenommen und abgedeckt werden. Der Bundesrat muss dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Unterdessen wird der Gesundheitsfonds wenige Wochen vor seinem Start noch einmal Thema einer öffentlichen Anhörung im Bundestag sein. Der Gesundheitsausschuss beschloss am 18. Juni einstimmig, nach der parlamentarischen Sommerpause eine Expertenbefragung zu Anträgen der Fraktionen von FDP ( 16/7737) und Bündnis 90/Die Grünen ( 16/8882) zu veranstalten, die beide den Stopp des Gesundheitsfonds zum Ziel haben.
Die Antragsteller zeigten sich im Ausschuss verwundert über den Koalitionsantrag zu einer Anhörung. Die FDP sprach von einem "politisch interessanten Vorgang", da in den vorangegangenen Wochen die Notwendigkeit einer Anhörung von der Koalition bestritten worden sei. Beide Fraktionen drangen darauf, die Anhörung noch im September durchzuführen. Sie mache schließlich nur Sinn, wenn der Gesundheitsfonds tatsächlich noch gestoppt werden könne, betonten die Grünen. Über den Termin will der Ausschuss in dieser Woche entscheiden.
Die Koalitionsfraktionen selbst zeigten sich erstaunt über die Kritik der Opposition. Schließlich hätten die Antragsteller selbst eine solche Expertenbefragung gewünscht. Die Koalitionsfraktionen erwarteten sich von der Anhörung im Übrigen einen "Erkenntnisgewinn" zu wichtigen Fragen, hieß es.