SPRACHEN
Bundestag fordert weiterhin Korrektur des EU-Übersetzungsregimes
Für EU-Sprachenkommissar Leonard Orban war es kein leichter Gang. Als er am 12. Februar in den EU-Ausschuss des Bundestages kam, war der Unwillen der Abgeordneten deutlich spürbar. "Über 60 parlamentarische Vorgänge können im Moment von den Ausschüssen nicht beraten werden, weil sie nicht auf Deutsch vorliegen", sagt Hans Peter Thul (CDU), Mitglied des Ausschusses. Er und seine Kollegen hatten in der Sitzung gegenüber dem rumänischen EU-Kommissar scharfe Kritik daran geäußert, dass inzwischen sogar weniger Dokumente als früher ins Deutsche übersetzt würden. Sie wiederholten ihre Forderung, nicht nur alle einschlägigen Dokumente, sondern auch wichtige Anhänge in ihre Muttersprache zu übersetzen. "Wenn wir die Texte und Berichte richtig erfassen wollen, müssen auch diese Informationen zur Entscheidungsfindung übersetzt werden", sagt Thul.
Keine leichte Aufgabe, denn in der EU gibt es 23 gleichberechtigte Amts- und Arbeitssprachen, die derzeit 500 Sprachkombinationen bedeuten und 2.000 Übersetzer erfordern. Daher liegt in der Praxis ein Großteil der Dokumente vor allem auf Englisch oder Französisch vor, seltener auf Deutsch.
Der Streit zwischen Bundestag und EU-Kommission, was wie übersetzt werden muss, schwelt schon seit langem. Nachdem die Parlamentarier mehrmals dagegen protestiert hatten, dass zu wenige Dokumente übersetzt würden, versprach Orban bei seinem ersten Besuch in Berlin 2007 Abhilfe zu schaffen: Er kündigte für Anfang dieses Jahres eine Revision der EU-Übersetzungsstrategie an. Im Juni 2008 erklärte er jedoch in einem Brief an Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), dass eine Ausweitung der Übersetzungsstrategie nicht geplant sei. Drei Monate später legte Orban zwar eine Mitteilung mit dem Titel: "Mehrsprachigkeit: Trumpfkarte Europas" vor, das Thema der Übersetzung von EU-Dokumenten ließ er dabei jedoch geflissentlich unter den Tisch fallen. Als Reaktion forderten Abgeordnete des Bundestages im Oktober 2008 in einem Antrag ( 16/10556) über alle Fraktionsgrenzen hinweg, dass die Europäische Union ihre Übersetzungsstrategie ändern müsse und in Zukunft alle "beratungsrelevanten" Dokumente rechtzeitig und vollständig in ihre Muttersprache übersetzt werden sollen.
Doch Orbans Besuch im EU-Ausschuss, so der FDP-Abgeordnete Markus Löning, "war in jeder Hinsicht enttäuschend". Orbans Argumente, dass ihm nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, wollten er und seine Kollegen nicht gelten lassen. "Es ist sein Job sicherzustellen, dass alle Gesetze und Texte in ihrer Muttersprache zu Verfügung stehen. Dafür muss er Vorschläge machen", sagt Löning. Die kommen jetzt - aber von Seiten des Bundestages: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) regte im Gespräch mit Orban an, eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der nationalen Parlamente und der EU-Kommission zu bilden, um eine Alternative für das Sprachenregime zu finden. Annette Sachz