FORSCHUNG
Große Koalition und FDP befürworten Iter-Projekt - Linke und Grüne skeptisch
Iter ist Lateinisch und bedeutet "Der Weg". Iter, so heißt auch ein Projekt der EU und sechs weiterer Partner, die "den Weg zu einer neuen Energie" gehen wollen, wie auf der gemeinsamen Internetseite zu lesen ist. Um welchen Weg und welche Energie geht es? Fusionstechnologie ist das Stichwort. Iter ist gleichzeitig die Abkürzung für "Internationaler Thermonuklearer Experimenteller Reaktor".
Im südfranzösischen Cardarache wird zu diesem Zweck derzeit eine Fusionsanlage gebaut, die zunächst ausschließlich Forschungszwecken dienen soll. 2006 unterschrieben die EU, genauer Euratom, China, Indien, Japan, Russland, Südkorea und die USA einen Vertrag über den Bau der Testanlage. Ziel des Forschungsprojektes ist es, zu zeigen, "dass Energie - ähnlich wie in der Sonne - aus der Verschmelzung von Atomkernen gewonnen werden kann", schreibt das Bundesforschungsministerium in einem Bericht an den Auschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Zum Zünden des Fusionsfeuers müsse der Brennstoff, ein Wasserstoff-Plasma aus den Wasserstoff-Isotopen Deuterium und Tritium, in Magnetfeldern eingeschlossen und auf Temperaturen über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden.
Erwartet werde ein zehnfacher Energieertrag im Verhältnis zu dem, was an Energie hineingesteckt werde, sagte ein Regierungsvertreter am 1. Juli im Forschungsausschuss des Bundestages. Vor diesem Hintergrund fördere die Bundesregierung die Fusionstechnologie als eine mögliche Option. Die positiven Eigenschaften der Fusionstechnologie seien große Brennstoffreserven, gute Sicherheitseigenschaften und Klimaneutralität. "Ihre erfolgreiche Nutzung könnte zukünftige Bedarfslücken im Bereich elektrischer Energie schließen und gleichzeitig einen erheblichen Beitrag zur Einsparung von klimaschädlichen CO2-Emissionen leisten", heißt es dazu in dem Bericht.
Der EU-Kommissar für Wissenschafts- und Forschungspolitik, Janez Potocnik, hatte in einer Rede vor dem Ministerrat am 29. Mai erklärt, dass er die bisherige Kostenberechnung für Iter "noch nicht für ausreichend robust und glaubwürdig" halte. "Die Bundesregierung geht derzeit davon aus, dass der europäische Anteil an Iter von 2,78 Milliarden Euro auf 5,5 Milliarden Euro steigen wird", erklärte der Vertreter der Regierung im Ausschuss. Die Mehrkosten für den Fusionsreaktor führte er unter anderem auf die gestiegenen Rohstoffpreise für Kupfer, Stahl und Beton zurück. Auch "Änderungen, die sich aufgrund neuer Erkenntnisse in der Physik ergeben" und für einen stabilen und sicheren Betrieb von Iter notwendig seien, verursachten höhere Kosten. Die SPD-Fraktion bezeichnete die Kostenentwicklung "als dramatisch, aber nicht überraschend". Ihre Frage nach einer Kostengrenze konnte der Regierungsvertreter nicht beantworten.
Er informierte die Ausschussmitglieder außerdem darüber, dass bei einem Treffen der Iter-Mitglieder am 17. und18. Juni im japanischen Aomori ein neuer Zeitplan für das Iter-Projekt beschlossen worden sei. Um den geplanten Termin für die erste "abgespeckte Inbetriebnahme" 2018 beibehalten zu können, sollen zeit- und kostenaufwändige Einbauten in die Anlage erst später erfolgen. "Dadurch werden die technischen Risiken reduziert", sagte der Mitarbeiter des Ministeriums. Die eigentliche Stromerzeugung solle 2026 beginnen.
Für die CDU/CSU-Fraktion sind dies "keine guten Nachrichten". Iter sei eine zukunftsweisende Technologie. Der Beginn dürfe deshalb nicht weiter verschoben werden. Die FDP-Fraktion appellierte an alle Fraktionen, ihre Bedenken im Sinne der Freiheit der Forschung aufzugeben. Die Linksfraktion erwiderte, dass Iter ohne Frage eine spannende Technologie erforschen wolle. Allerdings sei die "energetische Gesamtbilanz katastrophal. Sie rechtfertigt nicht, sich auf diese Energieform zu konzentrieren", erklärte die Fraktion.
Die Grünen forderten forschungspolitische Konsequenzen: "Die Regierung muss in Forschung investieren, die aussichtsreicher ist, vor allem weil Iter in den nächsten 20 Jahren keine Fortschritte im Hinblick auf die Klimapolitik bringt." Das bestätigte der Regierungsvertreter: "Iter ist ein Forschungsprojekt und in den nächsten 20 Jahren keine energiepolitische Option." Eine solche könne aber aus der Forschung erwachsen, "gerade im Hinblick auf Umweltfragen".