Immer wieder hatte die große Koalition in Schleswig-Holstein auf der Kippe gestanden, jetzt ist sie gestürzt und zerbrochen. Am Tag der Bundestagswahl wählt das nördlichste Bundesland einen neuen Landtag - knapp acht Monate früher als geplant. Mit einer absichtlich herbeigeführten Niederlage bei der Vertrauensfrage im Landtag machte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) am 23. Juli den Weg zur Neuwahl frei. Der Abstimmung vorausgegangen waren politische Chaostage an der Förde.
Der Versuch, die Wahlperiode durch einen Beschluss zur Auflösung des Landtags zu beenden, war zuvor am Widerstand der SPD gescheitert. Daraufhin entließ Carstensen die vier SPD-Minister seines Kabinetts. In der Union gilt das Aus als politischer Befreiungsschlag. Als "Dauerkonflikt mit Winkelzügen und Hintertürchen" beschreibt Carstensen die Arbeit seines bisherigen Koalitionspartners Ralf Stegner. Die SPD sei nicht bereit, notwendige Maßnahmen etwa zur Sanierung des Haushalts zu unterstützen.
Stegner dagegen wirft der Union vor, den Bruch des Bündnisses angesichts derzeitig günstiger Umfragewerte kalkuliert zu haben. Immerhin hatte die SPD-Fraktion noch vor kurzem einen mit der Union vereinbarten Nachtragsetat im Parlament beschlossen. "Ihr Rücktritt wäre der ehrliche Weg" zu Neuwahlen gewesen, sagte Stegner.
Das Verhältnis des bisherigen schwarz-roten Tandems galt von Anfang an als belastet. Zu unterschiedlich sind die beiden Charaktere. Hier der bodenständige Nordfriese Carstensen, dem Harmonie über alles geht; dort der ehemalige Harvard-Student, Parteilinke und Polarisierer Stegner, dem selbst eigene Leute anlasten, zuweilen die Rolle der Opposition in der Regierung gespielt zu haben.
Bis zum September ist Stegner Oppositionsführer im Landtag. Geerbt hat er die Rolle von FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Der Wahlkampf zwischen Nord- und Ostsee soll "hart aber fair" werden, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul. Ob die Hoffnung aufgeht, bleibt nach den Kieler Chaostagen, die CDU und SPD veranstalteten, abzuwarten.