Moscheen in Deutschland
Geschichte und Hintergründe eines umstrittenen Themas
Auf Seite 117 atmet man auf. Denn dort startet der Politologe Claus Leggewie seine Betrachtungen darüber, "warum es Moscheebaukonflikte gibt und wie man sie bearbeiten kann". Seine gewohnt gut sitzenden Pointen reizen teilweise zum Widerspruch - aber immerhin reizen sie den Leser. Das kann man vom ersten Teil des Bändchens "Moscheen in Deutschland. Religiöse Heimat und gesellschaftliche Herausforderung" nicht unbedingt behaupten. Gleichwohl verspricht auch dieser Teil zunächst eine interessante Lektüre, geht es doch hier um nichts weniger als die Geschichte und Funktion von Moscheen in Deutschland und im Orient und um den Alltag in selbigen. Doch leider hält der von der Religionswissenschaftlerin Bärbel Beinhauer-Köhler verfasste Abschnitt nicht, was er verspricht.
Lediglich angedeutet wird hier zum Beispiel der große Einfluss von aus dem islamischen Kulturkreis stammenden Denkrichtungen auf die geistigen Strömungen Europas im Mittelalter. Über den intellektuellen Austausch auch über diese Epoche hinaus - übrigens in beide Richtungen - hätte man doch gern tiefgründigere Informationen erhalten als den Hinweis auf die Ideen der Aufklärung und dem ihnen immanenten Gedanken der Toleranz. Zwar bleibt das Ziel lobenswert, das Bild des dem Westen schon immer unversöhnlich gegenüberstehenden, bedrohlichen Islams zu differenzieren. Und es ist sicherlich schön für die Liebhaber von Schlossgärten in Preußen oder der Kurpfalz, dort an moscheeartigen Bauten zu lustwandeln. Als Beweis für einen in vergangenen Jahrhunderten gepflegten lässigeren Umgang mit dem Islam dienen diese relativ ausführlich beschriebenen Beispiele aber nicht. Sie dienen auch nicht als Folie, die man den aktuellen Konflikten um Moscheeneubauten in Deutschland, zweifellos Ausdruck einer verkrampften Beziehung, gegenüberstellen kann.
Die orientalisch anmutenden Gebäude entstanden unter völlig anderen Voraussetzungen: Es bestand zur Zeit ihrer Erbauung im 18. und 19. Jahrhundert keine gesellschaftliche Notwendigkeit, sich mit dem Islam tatsächlich auseinanderzusetzen. Spaß an exotischer Folklore funktioniert immer gut, wenn das "Andere" nichts mit dem eigenen Alltag zu tun hat. So lassen sich wahrscheinlich auch unter den Moscheegegnern viele finden, die ihren Urlaub gern in der Türkei verbringen. Aber eine Moschee in der Nachbarschaft, da hört der Spaß für viele auf.
Die Gründe, die aus den Bauvorhaben islamischer Vereine zum Teil ernste Konflikte machen, analysiert Claus Leggewie anhand mehrerer Beispiele. Sein Fazit: "Vor allem im Kölner Moscheeprojekt haben deutsche Ängste vor Überfremdung, Parallelgesellschaft und Terror eine Projektionsfläche gefunden." Doch wäre ein alleiniger Rückgriff auf kollektive Ängste zu kurz gegriffen. Moscheen wirkten vielmehr wie "Schlagbilder", die die jahrzehntelange Einwanderungsgeschichte und deren Versäumnisse symbolisieren. "Zur Debatte stehen der Standort der Muslime in der deutschen Gesellschaft und die Bedeutung, die ihnen die Mehrheitsgesellschaft einräumen will."
Diese Debatte sei nötig und legitim, argumentiert Leggewie und deshalb könnten die Konflikte unterm Strich zur gesellschaftlichen Integration beitragen. "Integration durch Konflikt" sei zwar eine schwierige Botschaft. Sie könne aber Realität werden. Eine nicht nur rhetorische Abgrenzung von fundamentalistischer Gewalt und ein Verzicht auf Triumphgebärde - zum Beispiel in der Namensgebung: "Eroberer-Moschee" - von Seiten der Muslime aber auch die Anerkennung einer Reformierbarkeit des Islams durch Nichtmuslime und Islamkritiker sind für Leggewie erste Schritte in diese Richtung. Und wer genau wissen will, wie solche Projekte - auch ohne Morddrohungen wie in Köln-Ehrenfeld - gelingen können, für den hält das Büchlein am Ende unter dem Titel "Der bessere Weg zur Moschee" diverse Handlungsempfehlungen bereit.
Moscheen in Deutschland.
Verlag C.H. Beck, München 2009; 240 S., 12,95 ¤