DIREKTVERMARKTUNG
Hofläden liegen im Trend. Ein großer Wirtschaftsfaktor sind sie aber nicht
An sich ist Gustenfelden ein ganz normales Dorf. Die Straßen sind sauber gefegt, in den Ställen muhen Kühe und gackern Hühner, rundherum liegen Felder. Knapp 400 Einwohner zählt Gustenfelden. Die Jugendlichen, die "Dorfboum" und "Dorfmadli", engagieren sich beim Fest zur Kirchweihe, der "Kärwa".
Doch etwas ist anders an dem kleinen Ort in Mittelfranken, rund 30 Kilometer von Nürnberg entfernt. Das sieht man schon an diesem großen, bunten Schild am Dorfeingang: "Die Hofläden Gustenfelden im Schwabachtal". Gleich fünf Bauernläden gibt es hier: Manfred Wagner bietet Eier, Käse und Putenfleisch, die Obstbauern Willi Bub und Manfred Winkler je nach Saison Äpfel und Zwetschgen, Schlachter Jürgen Rosskopf 60 Sorten Wurst und Stefan Winkler in seinem "Mühlenlod'n" neben Mehl auch Nudeln und Essig. Alle Produkte stammen von den eigenen Tieren oder Feldern oder von anderen Landwirten aus der Umgebung. Werbung machen sie gemeinsam, ihre Produkte stimmen sie weitgehend aufeinander ab.
Direktvermarktung nennt sich die Form des Verkaufs, den die fünf Familien aus Gustenfelden betreiben. Mit diesem Begriff werden alle Möglichkeiten bezeichnet, mit denen Erzeuger ihre Produkte ohne Umwege über Supermärkte und Discounter an die Kunden weitergeben. Im "Nationalen Strategieplan für die Entwicklung ländlicher Räume bis 2013" der Bundesregierung wird Direktvermarktung immerhin als eine wichtige Möglichkeit hervorgehoben, um Arbeitsplätze zu schaffen und neue Verdienstquellen zu erschließen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium schätzt die Zahl der bäuerlichen Direktvermarkter auf bundesweit 30.000 bis 40.000. Das entspricht sechs bis acht Prozent der Landwirte in Deutschland.
Aber "Direktvermarktung ist nicht für jeden Landwirt eine Option", sagt Hans-Dieter Stallknecht vom Deutschen Bauernverband. Entscheidend sei unter anderem die Lage. "Die meisten Betreiber von Bauernläden zum Beispiel haben ihre Höfe in der Nähe größerer Städte. Dort gibt es genug Kundschaft", erklärt Stallknecht.
Diesen Vorteil genießen die Gustenfeldener. "1997 bei einem ,Tag des Hofes' haben wir gemerkt, wie sehr die Leute am Dorf interessiert sind, wenn man ihnen mehr als eine Anlaufstelle bietet", sagt Manfred Wagner. Also haben sie sich zusammengeschlossen: Die Kühlhäuser für die beiden Obstbauern planten sie gemeinsam. Als der Müller Stefan Winkler sich entschloss, ebenfalls einen Hofladen zu eröffnen, erweiterte er sein Konzept um ein Café. "Das fehlte hier noch, dann können die Leute vom Einkaufen auch Pause machen", sagt Winkler. Doch über die Bauernläden allein lässt sich der Lebensunterhalt meist nicht sichern. Schlachter Jürgen Rosskopf etwa verkauft mit seinen Mitarbeitern zusätzlich viermal pro Woche seine selbstgeschlachteten Produkte auf Märkten, beliefert Gaststätten und Imbisse und betreibt einen Partyservice. 400 Schweine besitzt er, die Rinder kauft er zu. Das Geschäft läuft gut, immerhin zwei Gesellen und einen Lehrling beschäftigt er, dazu fünf Verkäuferinnen, wenn auch letztere auf 400-Euro-Basis.
Einen weiteren Markt haben sich jene rund 40 Erzeuger erschlossen, die sich über die "Original Regional Regionaltheken GmbH" in Feuchtwangen organisieren. Sie beliefern mittlerweile 140 Supermärkte, die ein steigendes Interesse an regionalen Produkten haben. Dort finden sich zunehmend Regale mit dem besonderen Hinweis, dass hier nur Lebensmittel aus dem Umland verkauft werden.
Eines der drei Lager der Regionaltheken befindet sich auf dem Hühnerhof von Margit Rubensdörfer im mittelfränkischen Dentlein. Hier stapeln sich Eierlikör, eingemachte Zucchini, mit Schokolade überzogene Kürbiskerne. Im Kühlraum stehen Eimer voller Sauerkraut und Gläser voller Wurst. Vor mehr als zehn Jahren fing sie an, ihre Regionalagentur zu betreiben. "Mehrere Kollegen und wir belieferten schon länger Supermärkte, aber deren Leiter wollten nur noch einen Ansprechpartner. Wir hatten den Platz, also haben wir die Lagerung, Kommissionierung und Auslieferung übernommen", erzählt die 53-Jährige. Vier Tage pro Woche sei sie damit beschäftigt, Bestellungen entgegen zu nehmen, Waren zusammenzustellen und auszufahren. Zur Produktpalette gehören auch die Eier ihrer 3.000 Hühner, die im Stall hinter dem Haus in Bodenhaltung leben. Die Tiere sind aber nur der Nebenerwerb der Rubensdörfers, der Ehemann arbeitet hauptberuflich bei einem großen Unternehmen in der Nähe.
Die Regionaltheken sind inzwischen Teil der Kampagne "Original Regional" der Europäischen Metropolregion Nürnberg. Ziel ist es, regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern, also Städte und ihr Umfeld näher zusammenzubringen. Die Kampagne wiederum ist in das Aktionsprogramm "Modellvorhaben der Raumordnung" der Metropolregion integriert. Unterstützt wird es vom Bundesverkehrsministerium und dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung.
Bisher macht die Direktvermarktung jedoch nur fünf bis sechs Prozent des Lebensmittelumsatzes in Deutschland aus. Als schwierig erweist sich die Qualitätssicherung. Die Vorgaben von "Original Regional" sind nur vage formuliert: Die Herstellung der Produkte zum Beispiel soll "zum überwiegenden Anteil" in der Region Nürnberg erfolgen. Lebensmittel sollen gentechnikfrei sein, Freilandhaltung für Tiere wird nicht vorgeschrieben.
"Jedes Projekt soll darüber hinaus selbst Standards entwickeln und kontrollieren", sagt Andrea Denzinger, Projektleiterin der Regionaltheken. Die Lieferanten hätten sich kürzlich etwa darauf geeinigt, dass eine der drei Hauptzutaten eines Produkts aus der Region kommen muss. "Die Diskussion ist nicht einfach, weil schon viele Vorgaben durch den Gesetzgeber und die EU eingehalten werden müssen und viele Hersteller weitere Auflagen scheuen." Ein Anfang ist aber gemacht: Die Zertifizierung der Lieferanten hat begonnen.