ENERGIE
In neue Häuser zieht eine intelligente Messtechnik zum Stromsparen ein
Erst Elektroherde und Waschmaschinen, später Gefriertruhen und dann immer leistungsfähigere Computer und Fernseher mit großen Bildschirmen - immer mehr Elektrogeräte sind über die Jahre in die Haushalte gekommen. Und so verbrauchen die Bundesbürger immer mehr Strom. Je nach Größe des Haushalts stieg der durchschnittliche Verbrauch allein in den vergangenen drei Jahren zwischen sechs und 15 Prozent. Kaum jemand weiß dabei, wie viel Strom jedes einzelne Gerät verbraucht und ob es sich nicht um einen Stromfresser handelt.
Dabei geht es auch anders. Technisch ist es möglich, den Stromverbrauch von Elektrogeräten durch intelligente Messsysteme einzeln zu erfassen und die Ergebnisse auf den Computer zu überspielen. Die Fachleute sprechen von "Smart Metering". "Unser Kühlschrank im Keller hat im Jahr 1.000 Kilowattstunden Strom verbraucht. Das haben wir mit dem Sparzähler entdeckt. Das ganze Jahr über war er eingeschaltet, um Bier zu kühlen. Da wäre es billiger gewesen, bei Bedarf gekühltes Bier an der Tankstelle zu kaufen", sagt Roland Weißkirch. "Am ersten Tag mit dem Sparzähler haben wir gesehen, dass ein Gerät alle paar Minuten 600 Watt zieht. Es war die Kaffeemaschine. Sie heizt sich im Stand-by immer wieder auf. Seit wir das wissen, schalten wir sie nach dem Kaffeekochen sofort aus", berichtet Silke Frischemeier.
Die beiden Wuppertaler gehören zu den ersten Testern, die sich einen der schlauen Zähler von ihrem Stromanbieter Yello haben einbauen lassen. Die großen Energiekonzerne und zahlreiche Stadtwerke haben Pilotversuche mit den neuen Messsystemen gestartet oder bieten sie in ihren Versorgungsgebieten an, allerdings in der Regel nur mit begrenzten Funktionen. So stattet der RWE-Konzern in Mülheim an der Ruhr erstmals eine Großstadt komplett mit schlauen Zählern aus. 13.000 Haushalte sind inzwischen umgestellt, 100.000 sollen es werden. Erfasst wird zunächst nur der monatliche Stromverbrauch.
Vom kommenden Jahr an sind die intelligenten Stromzähler in Deutschland für Neubauten und bei der umfassenden Sanierung von Häusern gesetzlich vorgeschrieben. Mit dem im vergangenen Jahr vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Öffnung des Zähl- und Messwesens bei Strom und Gas ( 16/8306, 16/9470) soll die Energieabrechnung billiger werden. Gleichzeitig soll er Anreize zum sparsameren Umgang mit Energie bekommen.
Die Bundesnetzagentur als Regulierungsstelle für die Strom- und Gasnetze hat am 21. Juli ihren Entwurf für die Regelung der Geschäftsprozesse des Mess- und Zählwesens vorgelegt. "Gerade im Bereich ,Smart Metering' eröffnen sich dem Verbraucher damit weitere Kosten- und Energieeinsparpotenziale", sagt Behördenchef Matthias Kurth . Die Unternehmen haben jetzt Gelegenheit, bis zum 17. August zu den Vorstellungen der Regulierungsbehörde Stellung zu nehmen. Im Herbst wird die Netzagentur verbindliche Standards veröffentlichen. Die Behörde versäume es, in ihrem Entwurf massenmarkttaugliche Vorgaben zu machen und zum Beispiel klare Kündigungsregeln für die Verbraucher festzulegen, kritisiert indessen der Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE). Weiter stört den Verband, dass die Betreiber der Messsysteme ihre Daten mit den Netzbetreibern, also den etablierten Versorgern, auf Plausibilität abgleichen sollen. Der Netzbetreiber solle letztlich bestimmen, was abgerechnet werden dürfe. Wenn etwas falsch sei bei der Abrechnung, solle aber der Betreiber der Messsysteme die Verantwortung tragen. Das sei schon rechtlich sehr bedenklich. Die Regelung bringe zudem keinerlei Mehrwert für den Kunden. "Die Netzbetreiber wollen auch auf dem Zähl- und Messmarkt an ihrer bisherigen Monopolstellung so lang wie möglich festhalten und legen Dritten entsprechende Steine in den Weg", sagt Verbandssprecherin Annette Solzin.
In einem Positionspapier will die Bundesnetzagentur demnächst noch Mindestanforderungen definieren, die dann ab dem kommenden Jahr für die neuen Zähler gelten sollen. Allerdings sollen keine technischen Standards vorgegeben werden, um den Wettbewerb nicht zu bremsen. Neue Energieanbieter treibt allerdings die Sorge um, dass die etablierten Strom- und Gasversorger sich durch Normen und Vorgaben lästige Konkurrenz vom Hals halten wollen. Denn die großen Branchenunternehmen mahnen klare Vorgaben der Politik an, was mit den neuen Messsystemen genau erreicht werden soll. Man wolle keine Zähler einbauen, die später gar nicht gewünscht würden, heißt es etwa. In Normungsgremien werde deswegen auf Ebene der Verbände fieberhaft an Standards für die neuen Zähler gearbeitet. "Wir brauchen Vorgaben, damit wir die Geräte möglichst schnell und möglichst kostengünstig einbauen können", sagt RWE-Sprecherin Annett Urbaczka.
Druck aus Berlin Die Politik aber drückt aufs Tempo. Die Industrie sei am Zug, damit es zu austauschbaren Geräten komme und ihr Wechsel zum Beispiel bei einem Umzug nicht unnötig erschwert werde, heißt es im Verbraucherschutzministerium von Ilse Aigner (CSU). Man werde handeln, wenn die Energiebranche das nicht von sich aus schaffe. Ulrich Kelber, Energieexperte der SPD-Bundestagsfraktion, geht das nicht weit genug. Er drängt auf eine Beschleunigung der Standardisierung. "Die Politik muss stärkeren Druck auf Hersteller und Stromnetzbetreiber ausüben, damit es zu einem schnelleren Austausch der Geräte in den Haushalten kommen kann", fordert er. Gehe es nicht zügiger voran, müsse der Gesetzgeber erneut tätig werden.