FERNSEHEN
Michael Jürgs' Abrechnung kommt zu platt daher
Michael Jürgs, der frühere Chefredakteur von "Stern" und "Tempo" und erfolgreicher Biograf, ist wütend. Und er hat seiner Wut Luft gemacht. Nein, eigentlich hat Jürgs noch viel mehr gemacht: Er hat sich im wahrsten Sinne des Wortes "ausgekotzt", nachdem er eine Zeitlang am Bildschirm das verfolgt hat, was nicht ausschließlich im Privatfernsehen, aber vor allem dort, Tag für Tag über die Mattscheibe in deutsche Wohn- und Kinderzimmer flimmert. Und so zieht Jürgs zu Feld - gegen die allgemeine Verblödung im Fernsehen, gegen die Dauerberieselung mit "Zoten und Quoten", gegen den nachmittäglichen Talk-Schund frei nach dem Motto: "Ich bin ein Depp, lasst mich hier rein!". Das ist ehrenwert und wahrscheinlich auch nötig.
Jeder Bildungsbürger wird Jürgs' aufgestaute Wut gut nachvollziehen können, die er auf Dieter Bohlen, Heidi Klum, Oliver Pocher, Katarina Witt, Dirk Bach, Oliver Geissen und ganz besonders auf den Comedian Mario Barth hat. Zu dämlich ist das, was einem Woche für Woche auf dem Bildschirm geboten wird. Und wahrscheinlich hat Jürgs auch recht, wenn er vor allem wütend ist auf all die namenlosen Programmplaner und -macher, die hinter diesem Proll-TV stehen. Schließlich wissen sie genau, was sie tun.
Aber weiß Jürgs auch, was er da tut? Denn die These vom "Blöd-Fernsehen" ist ja nun wahrlich nicht neu. Neil Postman hat sie schon vor Jahren in dem Buchtitel zusammengefasst: "Wir amüsieren uns zu Tode!" Und nach ihm hat der Berliner Politikwissenschaftler Paul Nolte zum ersten Mal offen vom "Unterschichtenfernsehen" gesprochen, und davon, was die privaten Fernsehkanäle und in ihrem Gefolge auch die Öffentlich-Rechtlichen bei ihren Zuschauern und bei unserem Gemeinwesen Tag für Tag anrichten. Das alles ist also nicht neu.
Neu sind allerdings die Verbalinjurien und platten Anspielungen, mit denen Jürgs die einschlägige Riege der Proll- und Zoten-Komödianten mit ihren eigenen Waffen zu schlagen versucht. Das gelingt ihm aber ganz und gar nicht, denn er überzieht in seinem heiligen Zorn auf die Blödmacher unserer TV-Welt heillos. Stattdessen poltert er sich über die sehr berechtigte Medienkritik hin zu einer verschwurbelten Gesellschaftskritik, in der vom Kindergarten über die Schule bis zum Hartz-IV-Schicksal alles irgendwie miteinander zusammen hängt. Das ist am Ende wenig überzeugend, im Gegenteil: es nervt.
Seichtgebiete. Warum wir hemmungslos verblöden.
C. Bertelsmann, München 2009; 256 S., 14,95 ¤