Satire
Ein Roman über das China der 1930er Jahre
Die Hauptfigur ist ein Hallodri, der Autor Qian Zhongshu ein poetischer Artist auf dem Drahtseil zwischen asiatischer und europäischer Literaturtradition. Und die Publikationsgeschichte seines Schelmenromans "Die umzingelte Festung" seit der Erstveröffentlichung 1947 in China ist fast so abenteuerlich wie die Story selbst. Während der Kulturrevolution 1966/76 war diese Satire verboten, in den 80er Jahren bekam sie - auch ins Deutsche übersetzt - weltweit viel Lob. Heute zählt der Roman zu den Klassikern der chinesischen Moderne.
Den Titel hat Qian bei Montaigne entliehen, der die Ehe mit einer belagerten Festung verglich: Die draußen sind, wollen hineinstürmen - und die Eingeschlossenen möchten ausbrechen. Doch der Titel steht ebenso symbolisch für das Reich der Mitte in den späten 30er Jahren des 20. Jahrhunderts: Militärisch bedrängt von japanischen Aggressoren, versucht es sich von ihnen und zugleich von der eigenen Vergangenheit zu befreien. Es ist eine konfliktreiche Epoche des Umbruchs. Vor diesem historischen Hintergrund schlägt sich die Hauptperson, der Taugenichts Hongjian Fang, auf tragikomische Weise durchs Leben.
Von seinem Studienaufenthalt in Europa bringt er einen gekauften Doktortitel mit. Daheim hat er beruflich in Shanghai so wenig Erfolg wie in der Provinz. Privat nehmen die Schwierigkeiten Hongjians gleichfalls zu, sein erotisches Talent lässt nach. Ein Seufzer bringt seine Probleme philosophisch auf den Punkt, erinnert uns an eine Fabel Arthur Schopenhauers: "Wo Menschen zusammenkommen, beleidigen sie sich - wie Stacheltiere. Besser hält man Abstand, denn bei zu großer Nähe verletzt man sich nur an den Stacheln." Solcher Pessimismus gibt natürlich keinen Stoff ab für rot-umflaggte Parteiparolen.
Auch mit den weiteren Romanfiguren betreibt Qian keineswegs epische Schattenspiele, die das Wohlgefallen gestrenger Literaturfunktionäre erregen könnten. Er erzählt vielmehr anschaulich und amüsant, balanciert geschickt zwischen unterhaltsamer Prosa und pointiert formulierten Weisheiten. So ist sein Gesellschaftsroman ein Kunststück, das kräftigen Applaus verdient. Und den nötigen Beifall für die Sinologin Monika Motsch - sie hat dieses Buch nicht nur übersetzt, sondern zudem mit einem informativen Anhang zur vorliegenden Neuausgabe versehen - spendiert der Verfasser selbst. In sein Vorwort hat er ihr kalligrafische Komplimente gepinselt.
Die umzingelte Festung.
Schirmer Graf Verlag, München 2009;
542 S., 25,80 ¤