Sie sind in West-Berlin geboren und haben immer dort gelebt. Wie haben Sie den Fall der Mauer erlebt?
Am 9. November 1989 habe ich zusammen mit meinen beiden älteren Söhnen die Premiere eines Asterix- und Obelix-Films im Kino gesehen. Auf der Heimfahrt habe ich die Nachrichten gehört und bin dann später nochmal in die Stadt gefahren. Zu diesem Zeitpunkt, gegen 23 oder 24 Uhr, war es dort schon wahnsinnig überfüllt. Es war ein einzigartiges Gefühl, was man, glaube ich, in seinem Leben nur ein einziges Mal erleben kann.
Seit 1998 sind Sie Abgeordneter eines Brandenburger Wahlkreises. Wie kam es dazu?
Ein Bekannter hat mich Anfang der 1990er Jahre gefragt, ob ich als Anwalt bereit wäre, ehrenamtlich Bürgerberatung anzubieten. Viele Menschen standen etwa vor der Frage, ob sie sofort ihre Grundstücke verlieren, wenn ein westdeutscher Anwalt schreibt, dass seine Mandanten die rechtmäßigen Eigentümer sind. Dann kamen Fragen zur Arbeitslosigkeit oder zum Zivilrecht dazu - das war ja ein völlig neues Umfeld, in dem die Menschen sich bewegen mussten. Die Sprechstunden waren über Jahre überfüllt. Durch die Bürgerberatung wurde ich bekannt, auch bei den politischen Entscheidungsträgern. Eines Tages wurde ich gefragt, ob ich bereit wäre, für den Bundestag zu kandidieren.
Als Westdeutscher in einem ostdeutschen Wahlkreis - gab es da Vorbehalte?
In der innerparteilichen Vorauswahl gab es ab einem bestimmten Zeitpunkt heftige Kontroversen um die Frage, ob ein Zugereister Kandidat werden dürfte. Es gibt da eine ganz nette Episode von meiner Vorstellungstour: Zusammen mit zwei anderen Kandidaten sollte ich mich an dem Abend in Ludwigsfelde vorstellen. Einer von uns dreien kam aus dem Ortsverein, war also bekannt. Den zweiten Kollegen und mich kannte man nicht. Einer von uns kam im eleganten Blazer. Da hat man gesagt, das ist der Wessi. Und dann kam einer mit offenem Hemd und lockerer Strickjacke. Da hat man gesagt, das ist unser Ossi. Am Ende stellte sich dann raus, es war genau umgekehrt. Als ich dann Ende 1997 zum Kandidaten für den Wahlkreis gekürt wurde, war die Diskussion allerdings beendet.
Wie ist das heute? Gibt es Mentalitätsunterschiede?
Das hängt natürlich vom Alter ab. Wer 40 oder 50 Jahre in einem System gelebt hat, wird dadurch geprägt. Es wird aber immer geringer. Die Menschen gleichen sich im Großen und Ganzen in ihren Verhaltensweisen an.
Was müsste passieren, damit die Ost-West-Unterschiede verschwinden?
Es sind wirklich nur noch extreme Ausnahmesituationen, in denen ich sie überhaupt noch spüre, schätzungsweise in zwei Prozent der Fälle. Wir lernen voneinander, auch West von Ost.
Das Interview führte
Sandra Ketterer.