Johannes Vogel ist einer der Neuen in der FDP-Fraktion des Deutschen Bundestages. In den programmatischen Schriften junger Liberaler gehört er zu den auffallenden Autoren. Als arbeitsmarktpolitischer Sprecher kann er nun auch zeigen, wie sich seine Ideen in konkrete Politik umsetzen lassen.
Es ist 14.51 Uhr, als das Quecksilber auf dem imaginären inneren Thermometer einen riesigen Satz nach oben macht: „Nächster Redner ist der Kollege Johannes Vogel für die FDP Fraktion”, sagt die Sitzungspräsidentin. Und damit befindet sich die gefühlte Körpertemperatur des 27-jährigen Rheinländers sprungartig im Bereich „Lampenfieber”. Seit über vier Jahren ist er Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, seit mehr als zwei Jahren gehört er dem FDP Bundesvorstand an, hat schon unzählige Reden vor Parteitagen, vor dem heimischen Kreistag, bei Wahlkampfveranstaltungen und JuLi-Treffen gehalten. Aber die „Jungfernrede” vor dem Deutschen Bundestag - „da kann wohl niemand behaupten, dass er nicht nervös wäre”.
Die Nervosität legt sich binnen Sekunden. Denn die Abgeordneten aus Union und FDP empfangen ihn mit aufmunterndem Beifall. Jedem Kollegen ist es irgendwann selbst so ergangen. Viele haben sich dann minutiös vorbereitet und - um nur ja nichts falsch zu machen - an ihr Redemanuskript geklammert. Vogel geht anders vor. Er hat sich nur ein paar Stichwörter und Formulierungen aufgeschrieben, schaut daher, sicher wie ein alter Hase, fortwährend die Abgeordnetenkollegen an und nur ab und zu aufs Blatt.
Als Bundestagsvizepräsidentin Gerda Hasselfeldt fünf Minuten später Vogel zu „so viel Tatkraft und Schwung” gratuliert, hat er sich bereits einen anerkennenden Zwischenruf verdient. „Merkt man gar nicht”, meint ein Regierungsmitglied zu Hasselfeldts Anmerkung, dass dies Vogels „erste Rede hier im Parlament” gewesen sei. Und mehrere Parteifreunde kommen zu ihm, klopfen ihm auf die Schulter: Gut gemacht!
Später im Bundestagsrestaurant. Vorsichtshalber entschuldigt sich der junge Abgeordnete, gleich mal schnell verschwinden zu müssen. Ein Kollege, ein anderer aus der Riege der gleich 40 neuen FDP-Abgeordneten, fiebert seiner Jungfernrede entgegen. Und da will Vogel auf keinen Fall mit der Tradition brechen, ihm durch größtmögliche Kollegenpräsenz im Plenum den Rücken zu stärken. Vogel nippt an seiner Cola. Und erzählt, dass er gut auch woanders hätte landen können. In einem „think tank”, einer Denkfabrik etwa, wie er sie bei seinem Politik-, Geschichts- und Jura-Studium schätzen gelernt hat. Politikberater, das hätte für ihn mindestens genau so „spannend” sein können. Und insofern habe er sein Leben „nicht darauf ausgerichtet, Abgeordneter zu werden”.
Vogel achtet denn vor allem auf die richtige Reihenfolge, als er Anfang 2008 angesprochen wird, ob er nicht auch mal für den Bundestag kandidieren wolle. „Will ich mit 27 in den Bundestag?”, fragt er sich. Die Antwort: „Jedenfalls nicht als Student.” Und so sieht er zu, den Magisterabschluss rechtzeitig hinzukriegen.
Gerne hätte er sich eine Auszeit genommen, die Welt gesehen. Doch das Bedürfnis nach „Pause” muss warten. Stattdessen geht es „mit Vollgas” in den Wahlkampf. Für Vogel ist es eine „sehr intensive Zeit”, jeden Tag neu zu erfahren, was die Menschen beschäftigt, wie politische Angebote auf sie wirken, wie sich Wahlkampf im Internetzeitalter nicht nur auf der Straße, sondern auch auf der Datenautobahn, bei facebook, twitter & Co. abspielt. Für den Bundesvorsitzenden einer Jugendorganisation gilt das in besonderer Weise. Und das ständige Umschalten zwischen Region und Nation. Eine Woche Wahlkreis, eine Woche Bund - so ist sein Leben im Wahlkampf getaktet. Und so lernt er den Unterschied zwischen Sitzungswochen und Wahlkreiswochen schon vor seiner Wahl kennen.
Das Handy vibriert, Vogel springt auf. Schnell mal für fünf Minuten ins Plenum. Rückenstärken. Dann geht es nahtlos weiter. Mit dem „Paten”-System für neue Abgeordnete. Solange die neuen Büros noch nicht zur Verfügung stehen, kommen die Neulinge in die Büros erfahrener Abgeordneter, lernen so aus direkter Anschauung das Geschäft kennen. Vogels Glück: Sein „Pate” ist Daniel Bahr. Der Gesundheitsexperte, der bald darauf als parlamentarischer Staatssekretär Regierungsmitglied sein wird, verhandelt über den Koalitionsvertrag mit, und so ist Vogel auch hier von Anfang an „nah dran”. Es ist die Zeit der vielen Telefonate. Denn natürlich versucht er, über seine Kontakte innerhalb des Bundesvorstandes das Regiebuch für die Politik der nächsten vier Jahre mit zubeeinflussen. Er erlebt kleine Fortschritte und schmerzende Rückschläge.
Derweil baut er seine Mannschaft auf, setzt sie zusammen aus Vertrauten, die ihn schon seit Jahren begleiten, und empfohlenen Kennern der Abläufe, richtet sich darauf ein, seine Fachschwerpunkte in der Ausschussarbeit zu finden. Bürgerrechte liegen ihm am Herzen, die Außenpolitik wirkt spannend auf ihn. Es wird keines von beiden. Es wird der Arbeits- und Sozialausschuss. Und nicht nur das. Statt jahrelange Kärrnerarbeit leisten zu müssen, um auf der Karriereleiter im Parlament voranzukommen, bekommt der Neuling gleich einen der ambitionierteren Jobs: Sprecher für Arbeitsmarktpolitik. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die Strippenzieher den Bundespolitiker schon eine Zeit lang beobachten konnten. Vielleicht auch damit, dass er in Theorieschriften der Partei zu den auffallenden Autoren gehörte und er nun auch mal zeigen soll, wie das in konkreter Politik funktioniert.
Die Cola wird mit einem Satz geleert. Die nächsten Termine warten schon. Die JuLis erwarten einen wahrnehmbaren Chef, der Bundesvorstand ein engagiertes Mitglied. Die Arbeitsmarktpolitik steht vor neuen Herausforderungen. Dann ist da nicht zuletzt der Wahlkreis, die Internetgemeinde. Nach den ersten Monaten sieht Vogel deshalb die Gefahr: „Es locken viele attraktive Termine, aber wer zu viele davon wahrnimmt, den kann es auffressen.” Sein Vorsatz klingt bereits nach alter Hase: Für ihn sei inzwischen wichtig, sich „immer wieder Zeit freizuschaufeln - Zeit zum Nachdenken”.
Johannes Vogel, geboren 1982, ist seit 2005 Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen (JuLi) und seit 2007 Mitglied im FDP-Bundesvorstand. Er studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Öffentliches Recht in Bonn und war studentischer Mitarbeiter im Abgeordnetenbüro des damaligen Generalsekretärs der FDP in Nordrhein-Westfalen, Christian Lindner. Bis zu seiner Wahl als Abgeordneter des Deutschen Bundestages 2009 war Vogel jüngstes Mitglied des Kreistages im Rheinisch- Bergischen Kreis.
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Text: Gregor Mayntz
Erschienen am 25. März
2010