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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: „Pfad auf des Messers Schneide”
Gültig ab: 06.08.2008 10:19
Autor: Jörg Michel und Sven Titz
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„Pfad auf des Messers Schneide”

Klimaforscher Edenhofer im Gespräch
Klimaforscher Ottmar Edenhofer
© Ute Grabowski/Photothek.net

Klimaforscher Ottmar Edenhofer im Gespräch

Die Wirtschaftskrise ist kein Hindernis für den Klimaschutz, sagt Ottmar Edenhofer, Vizechef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Im Interview betont er, wie wichtig es ist, dass die USA beim Emissionshandel mitmachen und dass man auf den Ausstoß von CO2 nicht verzichten kann. Edenhofer lehrt an der Technischen Universität Berlin und hat eine leitende Position im UN-Klimarat.

Blickpunkt Spezial: Herr Professor Edenhofer, die Welt rutscht in eine Rezession. Ist das die richtige Zeit für Klimaschutz?

Ottmar Edenhofer: Die Finanzkrise und die Klimakrise sind beides Krisen der Nachhaltigkeit. Die Banken haben ihre Geschäftsgrundlage zerstört, weil sie zu hohe Risiken eingegangen sind. Nachhaltigkeit heißt aber: Handle so, dass du die Grundlagen deines Handelns nicht zerstörst. Dieser Satz der Ethik gilt für die Wirtschaft ebenso wie für das Klima. Insofern ist die Finanzkrise genau der richtige Zeitpunkt, um sich Gedanken über den Klimaschutz zu machen.

Blickpunkt: Häufig heißt es, zu viel Klimaschutz koste Arbeitsplätze.

Ottmar Edenhofer: Mit einem durchdachten Konjunkturprogramm kann man auch für den Klimaschutz eine Menge erreichen. Einen Zielkonflikt zwischen Arbeitsplätzen und Klimaschutz sehe ich nicht. Im Gegenteil.

Blickpunkt: Welche Impulse erwarten Sie von der neuen US-Regierung unter Obama für die Klimapolitik?

Ottmar Edenhofer: Auch Obama will ein großes Konjunkturpaket schnüren. Außerdem hat er angekündigt, bei den Verhandlungen um ein Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll eine Führungsrolle zu übernehmen.

Blickpunkt: Was erwarten Sie davon?

Ottmar Edenhofer: Es wäre ein großer Schritt, wenn die USA sagen würden, dass sie bei den globalen Verpflichtungen zur Emissionsminderung dabei sind, dass sie mit den Schwellenländern über einen Fahrplan bis 2020 reden und dass sie bei einem transatlantischen Kohlenstoffmarkt mitmachen. Wir hoffen aber, dass Obama nicht das gleiche Lehrgeld zahlen muss wie wir Europäer. Der Emissionshandel der EU hat ja noch Kinderkrankheiten.

Blickpunkt: Welche Kinderkrankheiten meinen Sie?

Ottmar Edenhofer: Beim Emissionshandel müssen alle Sektoren beteiligt sein, in denen CO2 emittiert wird. Also nicht nur die Stromwirtschaft und die energieintensive Industrie. Alle Zertifikate sollen versteigert, nicht verschenkt werden. Die USA und die EU brauchen einen gemeinsamen Emissionsmarkt. Wenn die EU auf Dauer allein Emissionen reduziert, schadet das ihrer Wettbewerbsfähigkeit.

Blickpunkt: Wie kann man Länder wie China und Indien in die globalen Klimaschutzmaßnahmen einbeziehen?

Ottmar Edenhofer: Ich kann mir vorstellen, dass wir Energiesparziele für den chinesischen Stromsektor vereinbaren. Werden diese erfüllt, werden den Chinesen Emissionszertifikate gutgeschrieben, die sie verkaufen können. Und werden sie nicht erfüllt, passiert gar nichts. Darauf könnten sich die Chinesen einlassen und erkennen, dass es gar nicht so schwer ist, die Emissionen zu reduzieren. Der zweite Schritt wäre die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (carbon capture and storage, kurz CCS) bei der Kohlenutzung. In den nächsten fünfzig Jahren werden weder China noch Indien auf die Kohlenutzung im Stromsektor verzichten. Darum benötigen wir dort CCS. Man sollte vor der Renaissance der Kohle nicht die Augen verschließen und die Entwicklung dieser Technologie vorantreiben.

Blickpunkt: CCS ist aber umstritten und technisch schwer umzusetzen.

Ottmar Edenhofer: Ich sage ja nicht, dass wir CCS morgen einführen müssten. Erst brauchen wir Demonstrationsanlagen. Der Klimawandel wird vorerst fortschreiten, und wenn sich die erneuerbaren Energien nicht so schnell verbilligen wie erhofft, brauchen wir CCS als Übergangslösung.

Blickpunkt: Was sagen Sie denen, die Klimaschutz ohne Kernenergie und saubere Kohlekraftwerke für möglich halten?

Ottmar Edenhofer: Man kann aus der Kernenergie aussteigen und Klimaschutz betreiben, wenn das gesellschaftlich gewünscht wird. Das halte ich für möglich. Beides zugleich – Ausstieg aus der Kernkraft und Ausstieg aus der Kohleverstromung – geht aber nicht, zumal die Integration der erneuerbaren Energiequellen in das Stromnetz nicht leicht ist. Es existiert keine einzelne, risikolose Energieoption. Wenn man den Klimaschutz aber ernst nimmt, gibt es nur einen ganz schmalen Pfad – einen Pfad auf des Messers Schneide.

Blickpunkt: Sie sind seit September der ranghöchste Deutsche im IPCC. Was würden Sie in der Arbeit des Klimarats gern verändern?

Ottmar Edenhofer: Wir müssen mehr zur Ökonomie des Klimawandels sagen, zur Anpassung und zur Vermeidung. Wir bereiten zum Beispiel gerade einen Bericht zu den erneuerbaren Energiequellen vor, der 2010 veröffentlicht werden soll. Darin analysieren wir, wo die Chancen liegen, aber auch, wo Engpässe zu erwarten sind.

Blickpunkt: Sie waren selbst eine Zeit lang Journalist. Welche Frage vermissen Sie, weil sie Ihnen selten gestellt wird?

Ottmar Edenhofer: Ich vermisse die Frage nach der langfristigen Perspektive. Wir verändern die physische Geografie des Planeten, lassen Dürreperioden und Überschwemmungen zu, etwa in Afrika, wir setzen Flüchtlingsströme in Gang. Und wenn man sich überlegt, was dagegen zu tun wäre, dann spannt sich ein ganzes Panorama auf: weltweiter Emissionshandel, Abkommen gegen die Abholzung, Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Anpassung. Wir haben so viele globale Probleme langfristiger Natur. Aber nur wenige Menschen denken darüber nach – und noch weniger sind bereit, zuzuhören und etwas zu verändern.

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Erschienen am 25. Februar 2009
Das Gespräch führten Jörg Michel und Sven Titz

Zur Person:

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Jahrgang 1961, ist stellvertretender Direktor und Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und gleichzeitig Lehrstuhlinhaber an der Technischen Universität Berlin. Seit September 2008 gehört er zu den Vorsitzenden des Weltklimarates (IPCC).

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Ottmar Edenhofer
www.pik-potsdam.de/members/edenh


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