Dominikanische republik
Leonel Fernández bleibt Präsident. Am 16. August beginnt seine dritte Amtszeit
"Steig ein in die Zukunft", wirbt das Radio in der Hauptstadt Santo Domingo für die rechtzeitig zu den Wahlen provisorisch eröffnete Metro. Das bisher 710 Millionen US-Dollar teure Prestigeprojekt der Dominikanischen Republik zahlte sich für Präsident Leonel Fernández aus. Das Fernsehen zeigte Bilder von euphorischen Metrobenutzern, die "Leonel, Leonel, Leonel" skandieren. Dazu sagt ein Straßenhändler: "Ich stimme für Leonel, wegen der Metro."
Der Meinung des Straßenhändlers schloss sich die Mehrheit der 5,7 Millionen Stimmberechtigten des Karibikstaates bei der Präsidentenwahl am 16. Mai an. Der 54-jährige Mitte-Rechts-Politiker siegte unerwartet deutlich und kam auf 53,8 Prozent der Stimmen. Sein sozialdemokratischer Herausforderer Miguel Vargas erzielte 40,4 Prozent. Internationale Beobachter sprachen von "transparenten und fairen Wahlen", kritisierten Fernández aber für den Einsatz öffentlicher Mittel zur Wahlwerbung. Deutlicher wurde der Rektor der Autonomen Universität von Santo Domingo, Franklin García. Er beschuldigte den Präsidenten, aus den Staatskassen "konstante Bombardierung mit politischer Werbung" zu finanzieren.
Bereits 1996 bis 2000 regierte der in der New Yorker Bronx aufgewachsene Fernández den verarmten Staat. Doch erst 2004 begann sein Aufstieg zum über die Landesgrenzen hinaus populären Politiker. Damals gewann er erneut die Wahlen, nachdem eine 2,2 Milliarden US-Dollar teure Bankenpleite im Jahr 2003 das Land an den Rand des Bankrotts brachte. Fernández erreichte eine Umschuldung mit dem Internationalen Währungsfonds, gewann die Unterstützung der heimischen Unternehmer-elite und brachte die Wirtschaft in Fahrt. Mit Nähfabriken in Freihandelszonen sowie dem Export von Nickel, Bananen, Zucker, Kaffee und Tabak erzielt das Land seither im Schnitt zehnprozentige Wachstumsraten.
Beigetragen zum Wirtschaftsboom hat auch der Tourismus aus Europa. Vier Millionen Gäste beherbergt das Land jährlich. Doch jenseits der von vielen Deutschen geschätzten Ferienressorts herrscht eine ganz andere Realität. Ein Viertel der knapp zehn Millionen Einwohner ist laut Weltbank unterernährt. Mindestens 800.000 Menschen leiden an chronischen Krankheiten, Folge der vielerorts verseuchten Böden und des schlechten Trinkwassers. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf beträgt 2.450 US-Dollar jährlich.
Anders als im ähnlich armen Nachbarstaat Haiti blieb die Dominikanische Republik bisher von Hungerunruhen und politischen Krisen verschont. Denn mit publikumswirksamen Ausgaben sicherte sich der promovierte Jurist Fernández die Unterstützung der Wähler. Er subventionierte Gas und Strom, bezuschusste Milch, Reis und viele weitere Grundnahrungsmittel. Das Volk honorierte das. 2006 gewann Fernández' Partei PLD die Mehrheit in beiden Parlamentskammern.
Während die regierungstreue Zeitung "El Caribe" über die "solide Führerschaft" des Präsidenten jubelt, misstrauen dessen Kritiker seinen Wirtschaftszahlen. Der renommierte Ökonom Apolinar Veloz etwa bezeichnet die offizielle Wirtschaftsstatistik als "Täuschung, die von der wirtschaftlichen Realität ablenkt". Fernández kündigte denn auch gleich nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses eine Arbeitsgruppe aus Regierung und Unternehmern an, um bezahlbare Lebensmittelpreise zu gewährleisten. In seiner ersten Ansprache nach der Wahl erklärte er die Energie- und Nahrungsmittelkrise zu den "Prioritäten der Regierung".
Doch Finanzspielraum hat Fernández keinen mehr. Zum Stolperstein könnte ausgerechnet das Prestigeprojekt werden, das ihm eben erst den Wahlsieg beschert hat: die Metro. Von den geplanten 16 Stationen auf gut 14 Kilometern sind erst zwei in Betrieb. Niemand weiß, ob die Mittel ausreichen, um das Projekt bis August fertigzustellen. Unklar ist auch, wie die Regierung den angestrebten Fahrpreis von rund 70 US-Cent finanzieren will.
"Die Metro wird die dominikanische Ökonomie in einem Dauerzustand des Bankrotts halten", warnte Osiris de Leon, Koordinator der nationalen Wissenschafts- und Umweltkommission. Vergeblich kämpfte der Geologe gegen das Metrovorhaben und empfahl, das Geld besser in die fehlende Abwasserentsorgung der Hauptstadt zu investieren. Heute sagt de Leon resigniert: "Die Metro ist für die Regierung wichtiger als Essen, Erziehung und Gesundheit der Bevölkerung."