USA
In seiner Antrittsrede hat Obama alte Werte beschworen und sich doch von seinem Vorgänger abgegrenzt
Der neue Präsident verlor keine Zeit. Als Barack Obama am 20. Januar nach seiner Amtseinführung mit seiner Frau den Tanz eröffnete, waren die Militärtribunale in Guantanamo schon ausgesetzt. An seinem zweiten vollen Amtstag am Donnerstag unterzeichnete er das Dekret zur Schließung des Gefangenenlagers binnen eines Jahres. Den Amerikanern und dem Rest der Welt hatte er schließlich die Rückkehr zu rechtsstaatlichen Prinzipien versprochen: "Wir weisen die Wahl zwischen unserer Sicherheit und unseren Idealen als falsch zurück", hatte er in seiner Antrittsrede gesagt. Mit dem Plan, Guantanamo zu schließen, hat Barack Obama das Image der USA quasi mit Sofortwirkung rehabilitiert.
Kaum eine andere Amtshandlung hätte ein so plastisches Symbol für das Ende der Ära von George W. Bush sein können. Und die Zuschauer von Kairo bis Berlin jubelten - so hatten sie sich die Obama-Zeit vorgestellt. "Obama hat die richtigen Knöpfe gedrückt, gerade auch für europäische Ohren", meint Reginald Dale vom Center for Strategic and International Studies.
Der Rechtstaat war nur einer von etwa zehn Punkten, bei denen Obama in seiner Rede einen Kurswechsel gelobte. Er versprach eine klimaverträgliche Energiepolitik, ein gerechtes Steuer- und Gesundheitssystem und Investitionen in Infrastruktur und Bildung Und auch die Wissenschaft solle wieder ihren rechtmäßigen Platz bekommen - eine Anspielung etwa auf die Versuche der christlichen Rechten, die Schöpfungslehre im Schulunterricht zu etablieren.
Die Zeit, "enge Interessen zu schützen", sei vorbei, hatte Obama ebenfalls betont - und gleich am Mittwoch verabschiedete er mehrere Erlasse, um die Macht der Lobbyisten auf die US-Politik zu begrenzen. Und an seinem Versprechen, dass Schluss sein müsse mit den parteipolitischen "Schuldzuweisungen und abgedroschenen Dogmen, die zu lange unsere Politik stranguliert haben", hatte er schon vor seiner Amtseinführung bei Treffen mit Republikanern gearbeitet.
Die innenpolitische Versöhnung war neben der Kritik an den Bush-Jahren der zweite Hauptstrang in Obamas Antrittsrede - mit Anleihen aus der republikanischen Rhetorik. Die schlug vor allem in den Äußerungen zur Außen- und Sicherheitspolitik durch, als Obama etwa sagte: "Unsere Nation ist im Krieg gegen ein weitreichendes Netzwerk aus Gewalt und Hass." Sätze wie diesen schnitt der konservative Fernsehsender Fox News später mit Passagen aus früheren Bush-Auftritten zusammen, um den verblüffenden Gleichklang zu demonstrieren. Auch einen Lieblingsausdruck seines Wahlkampfgegners John McCain borgte sich Obama, als er von Soldaten sprach, die für eine Sache "größer als sie selbst" gefallen seien.
"Es ist frappierend, wie viele Formulierungen er verwendet hat, die Applaus von Konservativen erzeugen", so Reginald Dale. Aus Sicht pazifistischer Europäer müssten diese Passagen eher beunruhigend gewesen sein, findet der Wissenschaftler, der selbst Brite ist. Doch Obama könne sich viel erlauben: "Sie lieben alles, was er tut und hören nicht immer so genau auf das, was er sagt." Zumal er in seiner Antrittsrede gar nicht zu ihnen gesprochen hat: "Die Rede war sehr Amerika-zentrisch", meint Dale, wie es sich für die Antrittsrede eines US-Präsidenten gehöre. Dagegen habe Obama im vergangenen Sommer bei seinem Auftritt vor 200.000 Menschen in Berlin einen Fehler gemacht, als er von "Weltbürgern" gesprochen habe. "Die Amerikaner haben ihm das übel genommen."
Bei seinem Amtsantritt sprach er nun davon, Amerikas Stärke zu erhalten. "Wir sind wieder bereit zu führen", erklärte er. Er denkt dabei zwar an Kooperation und Völkerverständigung, aber vom Multilateralismus, dem Zauberwort europäischer politischer Reden, war am 20. Januar ebenso wenig zu hören wie von Amerikas Alliierten. Der Test, wie die Obama-Regierung mit ihnen klarkommen wird, steht spätestens Anfang April an. Dann wird es beim G20-Treffen in London darum gehen, wie weit Amerika europäischen Vorschlägen zu einer grenzübergreifenden Finanzmarktregulierung folgt und ob die Europäer auf US-Forderungen eingehen, ihr militärisches Engagement in Afghanistan zu verstärken. Denn Obama will zwar die Truppen aus dem Irak abziehen, doch gegen die Taliban und Al-Kaida im pakistanischen Grenzgebiet will er dafür noch einmal nachlegen. Auch im Umgang mit der palästinensischen Hamas und mit dem Iran, dem die neue Außenministerin Hillary Clinton signalisiert hat, dass "keine Option vom Tisch" sei, ist eine gemeinsame Haltung keine Selbstverständlichkeit.
"Die nationale Sicherheit wird ein extrem wichtiges Thema für Obama sein", meint James Goldgeier, Professor an der George Washington University und Fellow am Council on Foreign Relations. "Er muss beweisen, dass auch die Demokratische Partei sich um das Thema kümmert." Das sei auch unter Clinton so gewesen, in dessen Amtszeit der damalige französische Außenminister Hubert Védrine den Begriff von der amerikanischen "hyperpuissance" (Hypermacht) erfunden hatte. Und natürlich: Auch Obama ist Amerikaner, einer zwar, der im Wahlkampf den radikalen Wandel versprochen hatte, in seiner Antrittsrede aber Vorväter und Gründungsdokumente sowie "die Größe unserer Nation" beschwor. Seinem im Kern eher konservativen Land versprach der Neue, dass er nicht alles anders, sondern mehr so wie früher machen werde - wie in den Jahren vor George W. Bush.