KONJUNKTURPROGNOSE
Wachstum in Deutschland geringer als in anderen EU-Ländern
Die Botschaft war drastisch, aber nicht wirklich überraschend: "Das ist die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte ein Sprecher von EU-Finanzkommissar Joaquín Almunia am 19. Januar in Brüssel. Der Kommissar hatte gerade den aktuellen EU-Konjunkturbericht vorgestellt. Das Resümee darin: Die europäische Wirtschaftsleistung wird 2009 voraussichtlich um 1,8 Prozent schrumpfen.
Deutschland mit seinem großen Exportsektor trifft es noch härter als die EU insgesamt. Die Bundesrepublik hat 2009 laut Almunia ein negatives Wachstum von 2,3 Prozent zu erwarten. Das ist eine ähnliche Prognose wie die von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (2,25 Prozent), der am 21. Januar in Berlin seinen Jahreswirtschaftsbericht vorlegte. Dies seien "schwierige Zeiten", meinte der CSU-Politiker.
Die Folgen für die Bürger, prognostizierte die EU-Kommission, dürften nicht lange auf sich warten lassen. Dreieinhalb Millionen Arbeitsplätze könnten in diesem Jahr in Europa verlorengehen - und noch weitere im Jahr 2010. Auch die Staatshaushalte werden stark in Mitleidenschaft gezogen. Zum einen brechen den Regierungen wegen der schwächelnden Umsätze Steuereinnahmen weg. Zum anderen haben sie Milliardenbeträge in Konjunkturprogramme gepumpt. Immerhin: Almunia und Glos, als Politiker auch ein Stück weit Berufsoptimisten, sehen Land am Horizont. 2010 werde das Bruttoinlandsprodukt der EU wieder um ein halbes Prozent zulegen, glaubt der Brüsseler Kommissar. "Die Wirtschaft wird nicht ins Bodenlose abgleiten", erklärte Almunia zuversichtlich. Dies sei nicht nur den Konjunkturprogrammen zu verdanken, sondern auch den Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte und der Lockerung der Geldpolitik. Die EU-Kommission will deshalb die Rettungsmaßnahmen möglichst schnell umgesetzt sehen. Dazu gehöre auch, dass wieder Kredite zu vernünftigen Preisen vergeben würden, betonte Almunia. Und: Die frisch verschuldeten Regierungen müssten sich möglichst schnell an die Konsolidierung ihrer Haushalte machen. "Das ist wichtig, um das Vertrauen wieder herzustellen", sagte er. 17 von 27 EU-Staaten werden laut Prognose im Jahr 2010 ein höheres Defizit haben, als es die EU-Regeln nach dem Stabilitätspakt erlauben.
Indessen gibt noch eine Zahl Anlass zu vorsichtiger Hoffnung: Die Inflation in der EU, 2008 noch auf einem Rekordhoch von 3,7 Prozent, wird 2009 auf geschätzte 1,2 Prozent fallen. Dahinter steckt der Preisverfall bei Rohstoffen. "Droht uns eine Deflation?", fragte der Europaabgeordnete Alain Lipietz (Grüne) im Rahmen einer Debatte mit Zentralbank-Präsident Jean-Claude Trichet. Dieser aber gab sich gelassen: "Unser wichtigstes Ziel ist nach wie vor die Stabilität der Preise. Eine Deflation ist nach aktueller Prognose nicht in Sicht."