Die Zahlen sind alarmierend: Aufgrund der Welternährungskrise ist die Zahl der Hungernden weltweit auf 925 Millionen angestiegen, rund 50 Prozent der Betroffenen sind Kleinbauern. Entsprechend hoch ist die Bedeutung der ländlichen Entwicklung für die Armutsbekämpfung und die Ernährungssicherheit. Das betonten am 21. Januar übereinstimmend Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Bei allen Programmen zur Unterstützung der ländlichen Entwicklung - insbesondere in Entwicklungsländern - müsse die dortige Bevölkerung eingebunden werden, sagten die Experten.
So verwies Suman Sahai vom International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development (IAASTD) auf Erfahrungen aus Indien. Dort sei beim Bau von Verbindungsstraßen vom Land in die Stadt auf die Empfehlungen der dort lebenden Stämme eingegangen worden. Gleiches sei beim Bau eines großen Staudammes passiert. "Ein externer Ingenieur kann niemals das Wissen der Einheimischen vor Ort ersetzen", betonte Sahai, die den "integrativen Ansatz" im Bericht des Weltagrarrates zur ländlichen Entwicklung begrüßte. Demnach dürfe es nicht nur um die Erhöhung der Produktivität der Bauern gehen, sondern auch um deren Ernährung, Bildung, die Infrastruktur und die Gesundheit: "Die besten Programme sind nutzlos, wenn die Menschen krank werden", sagte Sahai.
Von Intensivierungsanreizen bei der ländlichen Entwicklung angesichts steigender Agrarpreise sprach Theo Rauch vom Institut für Geographische Wissenschaften in Berlin. Er stellte jedoch fest: "Wir werden von der Entwicklung auf dem falschen Fuß erwischt." Männer würden vielfach in die Städte gehen, da dort ein besseres Einkommen zu erzielen sei. Die Landwirtschaft müsse häufig von Frauen und Kindern bewältigt werden. Auf dieses Problem hatte zuvor auch die Sachverständige Sahai verwiesen, die forderte, das "Prestige" für Berufe in ländlichen Bereichen zu stärken.
Leitbild bei der ländlichen Entwicklung könne nicht der Kleinbauer sein, sagte Michael Brüntrup vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn. Aus seiner Sicht biete dies "keine Perspektive", da Kleinbauern auf dem Markt nicht bestehen könnten. Große Zukunft hingegen hätten Familienbetriebe, die kommerziell orientiert sind. Grundsätzlich sei es schwierig, allgemeine Empfehlungen für die ländliche Entwicklung zu geben, so Brüntrup, da es oft "starke kulturelle Eigenheiten und Diversität" gebe. Nötig seien daher "standortspezifische Lösungsansätze", die gemeinsam mit der ländlichen Bevölkerung erarbeitet und umgesetzt werden müssten.
Auf die Bedeutung eines "Landrechts" im Rahmen des traditionellen Gefüges verwies Ides de Willebois vom International Fund for Agricultural Development (IFAD). Seine Organisation, so de Willebois biete Finanzdienstleistungen für ländliche Regionen an, um den Kauf von Düngemittel, Transportmöglichkeiten und Bewässerungsanlagen zu gewährleisten. Im Jahre 2006 hätten die Industrienationen 300 Milliarden Dollar für Entwicklungsländer zur Verfügung gestellt. Die IFAD sorge dafür, dass dieses Geld dort auch ankomme. Dabei sehe man in Bauernverbänden wichtige Partner, die einen Beitrag zu mehr Demokratie und "Good Governance" leisten könnten.
Gegen eine weitere Liberalisierung des Agrarmarktes wandte sich Bernhard Walter von der Hilfsaktion "Brot für die Welt". Wie auch der Evangelische Entwicklungsdienst und das Hilfswerk Misereor sei man der Ansicht, dass dies weder zur ländlichen Entwicklung noch zur Lösung der Hungerproblematik beitrage. Vielmehr müssten die EU-Exportsubventionen für Agrarprodukte beendet und eine Wende in der europäischen Agrarpolitik herbeigeführt werden.