ThÜringen
Das Land ist schön - so lautet die zentrale Wahlkampfbotschaft der CDU
Vor einigen Tagen saß Zeca Schall auf dem Marktplatz in Meiningen, einer kleinen, durchsanierten Stadt auf halber Strecke zwischen Erfurt und Schweinfurt, mit seiner Landesregierung zusammen auf ein paar Holzbänken. Vor ihnen spielte eine Tanzgruppe Abba nach, dann stieg ein Mann in grauem Anzug auf die Bühne und erzählte von einem "wunderschönen Land" namens Thüringen, in dem es tolle Menschen, engagierte Unternehmer und hervorragende Klöße gebe.
Sehr ausdauernd redete Dieter Althaus (CDU) zu seinem Wahlkampfauftakt. Schließlich bat der Ministerpräsident, dass man ihn doch am 30. August, dem Tag der Landtagswahl, wiederwählen solle. Es gehe um Kontinuität und eine Richtungsentscheidung: vorwärts in die Zukunft mit der CDU oder rückwärts mit den anderen, die an diesem sonnigen Nachmittag ansonsten nicht weiter erwähnt wurden. Am Ende wirkte das Publikum nicht euphorisiert, aber irgendwie zufrieden: Wie gesund der Ministerpräsident doch aussehe, nach all dem, was war. Und Zeca Schall stellte fest, dass "Althaus die richtige Politik macht". Deshalb sei er vor fünf Jahren in die CDU eingetreten und deshalb lasse er sich auf den Großplakaten abbilden, die jetzt überall im Land stehen.
Die Plakate zeigen Althaus inmitten fröhlicher Menschen - einer Gärtnerin, einem Mann mit Bauhelm und eben Schall. Er kam 1988 als Vertragsarbeiter aus Angola in die DDR. Nun soll er Integrationsbeauftragter des Landes werden.
Teil dieser Plakat-Community ist auch eine Mutter mit Baby - direkt neben Althaus platziert. Ein Umstand, den manche Beobachter pikiert registrierten - hatte doch ein Gericht Althaus nach seinem Skiunfall vom Neujahrstag wegen fahrlässiger Tötung einer jungen Mutter verurteilt. Althaus hat indes den Unfall offensiv für sich gewendet: In Interviews wiederholt er stetig, wie oft er für die getötete Frau bete; seine Gattin wiederum verkündet in Illustrierten, wie sensibel ihr Mann geworden sei.
Dies fügt sich ein in die Wohlfühl-Strategie von Althaus, die nur da und dort mit etwas Lagerwahlkampf aufgepeppt wird. Die Partei nimmt das hin, wie so vieles - sogar, dass ihr Vorsitzender auf dem Parteitag, der ihn zum Spitzenkandidaten wählte, nur ein Grußwort aus der Reha-Klinik schickte, parallel dazu aber in der "Bild"-Zeitung exklusiv über sein Schicksal reflektierte. Für die CDU ist Althaus der einzige, der diese Wahl gewinnen kann.
Die Töne aus der Opposition werden derweil schriller - nicht zuletzt, weil ihr der Ministerpräsident immer wieder pädagogisch nahe gelegt hatte, den Unfall während des Wahlkampfes nicht zu thematisieren. Darauf hatte man sich verständigt, aber jüngst konnte SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie seinen Unmut nicht mehr verbergen und warf Althaus eine "schamlose Selbstinszenierung" vor.
Doch die Bürger sehen das offenbar anders: Mal 34, mal 40 Prozent werden der Union vorausgesagt. Das würde zwar den Verlust der absoluten Mehrheit bedeuten - wäre aber kein Makel, zumal die FDP im Windschatten des Bundestrends nach 15 Jahren parlamentarischer Ab-stinenz in den Landtag zurückkehren dürfte, womit eine bürgerliche Mehrheit sicher wäre.
Dies wäre dann auch das von der Kanzlerin gewünschte Signal für die Bundestagswahl, weshalb Angela Merkel (CDU) in den letzten Augusttagen gleich viermal vorbeikommt, um Althaus, der sich stets loyal an ihrer Seite präsentiert, zu unterstützen.
Im Zweifel stünde für eine Koalition auch die SPD zur Verfügung, selbst wenn sich Matschie gerade an Althaus abarbeitet, als gehe das Land unter. Darin schwingt pure Verzweiflung mit, denn obwohl Matschie fünf Jahre den Oppositionsführer gab und seine Kampagne professionell organisiert ist, drohen die Sozialdemokraten wieder zwischen Union und der Linken aufgerieben zu werden. Die Ex-PDS liegt, so wie in den vergangenen zehn Jahren, in Landtags-Umfragen stabil fünf bis zehn Prozent vor den Sozialdemokraten.
Matschie versuchte zwar schon früh, dem vorzubeugen, indem er vor zwei Jahren Rot-Rot mit der SPD als Juniorpartner der Linken ausschloss. Dies sollte den linken Spitzenkandidaten Bodo Ramelow schwächen und den innerparteilichen Kompromiss darstellen. Doch die logische Schwäche der Taktik - einen Wechsel unbedingt zu wollen, aber nur unter einer ziemlich unwahrscheinlichen Bedingung - nutzte der vormalige Innenminister Richard Dewes (SPD) für eine erneute Revolte, die der Parteichef mittels Urwahl niederschlagen konnte. Innerparteilich stärkte ihn dies zwar, doch an der demoskopischen Situation änderte das kaum etwas, außer dass man sich nun mit der Linken öffentlich fast mehr zankt als mit der Union.
Das alles hilft der Union. Die hatte unter Althaus wegen vieler handwerklicher Fehler und schlechter Kommunikation zwar Sympathien verloren. Aber eine Wechselstimmung resultiert daraus nicht, dazu ist die Alternative dank des rot-roten Dilemmas zu nebulös.
Natürlich bleiben Unwägbarkeiten. Wie Althaus mit seinen Unfall umgeht, berührt eine Grenze, deren Überschreitung ihn mehr Stimmen kosten als einbringen könnte. Und, falls die Grünen in den Landtag kommen und die SPD es doch in die Nähe der Linken schaffen sollte, wäre vieles möglich. In Interviews hatten sowohl Ramelow als auch Matschie darüber philosophiert, dass nirgendwo stehe, dass nur die stärkste Partei den Ministerpräsidenten stellen dürfe. Aber auch hier spielt die Berliner Politik hinein: Derartige Sondierungsgespräche müssten bis nach der Bundestagswahl am 27. September verzögert werden, um den Wahlkampf von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier nicht implodieren zu lassen.
Dann ist da noch die NPD. Thüringen ist neben Sachsen diesjähriges Aufmarschgebiet der Rechtsextremen, was auch Zeca Schall zu spüren bekam. Der "Quotenneger" solle nach Afrika zurück, tönten die Rechtsextremen. Die CDU schaltete den Staatsschutz ein, derweil die Fotos von Schall routinemäßig überklebt werden. Die neue Plakatwelle rollt gerade an.