INTERNET
Afrika erhält Anschluss an das globale Datennetz
Die Fußball-Weltmeisterschaft macht es möglich: Ein Jahr vor dem Anpfiff in Südafrika schafft der Kontinent einen großen Sprung ins digitale Zeitalter. Seit dem 27. Juni ist die Ostküste des Kontinents erstmals per Breitbandkabel mit dem Rest der Welt verbunden. Bis zum Beginn der Großveranstaltung am Kap sollen zwei weitere Kabel verlegt worden sein. Wie nötig das ist, zeigt der Index der menschlichen Entwicklung (HDI) von 2007/2008: Danach hatten im Jahr 2005 in den am wenigsten entwickelten Ländern - alle liegen in Afrika - im Durchschnitt nur 12 von 1.000 Einwohnern Zugang zum Internet.
Anführer der Internet-Revolution in Afrika sind das auf Mauritius ansässige Unternehmen Seacom und der weltweit größte Telekomausrüster Alcatel-Lucent. Seacom, das zu 75 Prozent von afrikanischen Investoren getragen wird, lässt insgesamt 15.000 Kilometer Glasfaserkabel entlang der ostafrikanischen Küste von Südafrika bis nach Kenia verlegen. Sie sollen den Kontinent mit der arabischen Halbinsel, Indien und mit Europa verbinden. Alcatel hat von einem Konsortium aus südafrikanischen Telekommunikationsfirmen den Auftrag erhalten, die westafrikanische Küste zu verkabeln. Durch die Stränge auf dem Meeresboden sollen Daten mit einer Geschwindigkeit von 1,28 Terabyte pro Sekunde übertragen werden können.
"Der schnellere Internetzugang wird das gesamte Geschäftsleben revolutionieren," jubelt Mark Buwalda, Chef der südafrikanischen Suchmaschine Ananzi. Endlich seien Video-Konferenzen und Telefonieren übers Internet möglich. Vielleicht könnte Afrika sogar Indien Konkurrenz machen und zum neuen Callcenter Europas aufsteigen. Die kenianische Regierung ist ebenfalls auf den Zug aufgesprungen und hat massive Investitionen angekündigt, um Jugendliche für die Nutzung des Internets fit zu machen. Das Community-Portal Facebook wirbt um die neuen potenziellen Nutzer mit Seiten in der ostafrikanischen Sprache Swahili.
Bisher war die 7.000 Kilometer lange Ostküste auf Satellitenverbindung und einfache Telefonkabel angewiesen. Nur im Westen und Süden verbindet bereits ein Glasfaserkabel des südafrikanischen Staatskonzerns Telkom den Kontinent mit Europa.
Datenströme dümpeln im Durchschnitt mit einer Geschwindigkeit von 15 Kilobyte pro Sekunde durch das afrikanische Netz. Um Videos herunterzuladen oder große Anhänge in E-Mails zu öffnen, brauchen Benutzer meist mehrere Minuten - wenn die Leitung nicht komplett abstürzt. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis ist extrem ungünstig. "In Ostafrika liegen die Kosten für ein Megabit je Sekunde bei 2.500 bis 3.000 Dollar", erläutert Seacom-Chef Brian Herlihy. In Europa müssten Nutzer für das Zehnfache des Datenvolumens lediglich 30 bis 40 Euro zahlen.
Kommt nach dem Handyboom nun also die Internetrevolution? Noch immer ist Afrika der am schnellsten wachsende Markt für mobile Telekommunikation. Nach Berechnungen der Internationalen Telekommunikations-Union (ITU) stieg die Zahl der Handynutzer seit 1999 von sieben Millionen auf mittlerweile rund 600 Millionen Menschen an.
Vom Siegeszug der Mobilbranche profitieren auch andere Wirtschaftszweige: So werden inzwischen Bankgeschäfte, Stromrechnungen, Ratenzahlungen oder Versicherungsbeiträge per Handy abgewickelt. Seacom-Chef Herlihy hofft, dass sich die rasante Entwicklung auf der digitalen Ebene wiederholt. "Selbst in armen Ländern geben die Menschen relativ viel Geld für Mobiltelefone aus", meint er. Bei wachsender Internetnutzung würden auch in diesem Bereich die Preise sinken.
Im Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) misst man der modernen Kommunikationstechnik ebenfalls große Bedeutung bei. "Informationstechnologie ist für die Zivilgesellschaft ähnlich wichtig wie Bildung oder Ernährung", ist Hartmut Ihne, Geschäftsführer von ZEF-Consult, überzeugt. Internet, Computer und Mobiltelefone seien entscheidend für die Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben.
Nach Einschätzung von IT-Experten wird die Internet-Revolution allerdings weit gemächlicher verlaufen als der stürmische Handyboom. Laut Angaben der Vereinten Nationen gehen derzeit lediglich 1,5 Millionen der insgesamt eine Milliarde Afrikaner regelmäßig online. Zwei Drittel der Internetnutzer auf dem Kontinent stammen außerdem aus Südafrika. In Nordamerika und Europa hat hingegen schon jetzt jeder vierte Einwohner Zugang zum weltweiten Netz.
"Die Teilhabe am digitalen Zeitalter ist für Entwicklungsländer nur möglich, wenn der Zugang zum Internet extrem billig ist und völlig neue Geschäftsmodelle entwickelt werden", erklärt Jörg Eberspächer, Vorstand des Münchner Kreises, in dem sich IT-Experten aus verschiedenen Industrie- und Entwicklungsländern zusammengeschlossen haben. Dazu gehörten insbesondere der Einsatz des Internets bei der Vergabe von Kleinkrediten sowie in den Bereichen Bildung und Gesundheit. Beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist man aber auch überzeugt: "Moderne Kommunikationstechnologien sind wichtige Werkzeuge der Entwicklungszusammenarbeit, aber keine Allheilmittel."
Beim Weltinformationsgipfel der Vereinten Nationen 2005 in Tunis waren sich die Regierungen einig, dass der digitale Graben nicht ohne massive Investitionen der Privatwirtschaft zu überwinden sei. Entsprechend gering fallen die staatlichen finanziellen Mittel aus. Zwischen 2001 und 2008 förderte das BMZ die Einführung neuer Kommunikationstechnologien über Zuschüsse an entsprechende Weltbank-Programme mit rund 10 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Kosten allein für das Seacom-Projekt summieren sich auf rund 600 Millionen Euro.