Internationaler Währungsfonds
Der IWF mildert seine harten Kreditbedingungen ab. Davon profitieren nicht alle
Als sich die Regierungschefs der 20 einflussreichsten Staaten der Erde in Washington trafen, markierte dies einen grundsätzlichen Wandel. Im November 2008 formulierten die alten und neuen Wirtschaftsmächte nicht nur eine gemeinsame Antwort auf die größte Wirtschaftskrise seit 1929, sondern verschoben auch den Fokus der globalen Finanz-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik. Diese Veränderung ist an wenigen Beispielen so gut abzulesen wie an der Arbeit des Internationalen Währungsfonds (IWF). Sie ist einerseits ein Ergebnis zum Teil erbitterter Debatten der vergangenen 25 Jahre, wird aber andererseits durch die aktuelle Finanzkrise beschleunigt.
In den 1980er und 90er Jahren waren sich IWF und Weltbank weitgehend einig, dass die Regierungen möglichst wenig in die Wirtschaft intervenieren sollten. Dieser "Washington-Konsens" schlug sich auch in den Kreditbedingungen des IWF nieder. Er verlangte von den Gläubigerländern, dass sie Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung vorantrieben. Wissenschaftler wie etwa Ernst Ulrich von Weizsäcker kritisierten diese Politik, weil sie die Armut in Entwicklungs- und Schwellenländern häufig verstärke, anstatt sie zu mildern.
Die neue Linie setzt nun andere Akzente. Vorbereitet wurde sie unter anderem im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), das 2004 ein Papier zum "Post-Washington-Konsens" herausgab. Der Autor, Jürgen Zattler, betont darin die wichtige Rolle funktionierender staatlicher Institutionen und Regelungsmechanismen als Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand.
Das zunehmende Bewusstsein für solche Zusammenhänge macht sich inzwischen auch in der Kreditpolitik des IWF bemerkbar. Diese besteht vornehmlich darin, seinen Mitgliedern zu helfen, die Stabilität ihrer Währungen zu sichern. In der aktuellen Krise gewinnt ein neues Verfahren an Bedeutung - mit Unterstützung der G20-Regierungen: Um sich gegen Schocks auf den Finanzmärkten abzusichern, können Staaten die "Flexible Kreditlinie" (Flexible Credit Line, FCL) in Anspruch nehmen. Bislang haben Kolumbien, Mexiko und Polen davon Gebrauch gemacht. Der Vorteil besteht darin, dass der IWF weniger Bedingungen mit diesen Kreditlinien verbindet als früher. Die potenziellen Schuldner müssen sich nicht verpflichten, ihre Haushalte zu sanieren, Sozialprogramme zu reduzieren oder Staatsfirmen zu privatisieren. Wohlgemerkt richtet sich die FCL aber nur an solche Staaten, die eine gute Leistungsbilanz vorweisen können: Sie haben in der Vergangenheit etwa gezeigt, dass sie eine solide Haushaltspolitik betreiben. Für viele Entwicklungsländer etwa im südlichen Afrika kommt die FCL damit nicht Frage.
In der neuen Kreditlinie zeige sich "ein Fortschritt", sagt Jürgen Zattler. "Eine bedeutende Veränderung" erkennt auch Peter Wahl vom entwicklungspolitischen Institut Weed. Als Aktivist des globalisierungskritischen Netzwerks Attac kritisiert er die harten Vergabekriterien der konventionellen IWF-Kredite. Nun weist er darauf hin, dass die FCL den Schuldnerstaaten erlaube, "antizyklische Wirtschaftspolitik" zu betreiben, also beispielsweise die öffentliche Verschuldung zu erhöhen, um auf die Wirtschaftskrise zu reagieren. Zusätzliche Investitionen in Bildung oder die Gesundheitsversorgung bleiben deshalb möglich. Früher scheiterte dies oft an den Kreditbedingungen des IWF.
Der Fonds hat den bisherigen drei FCL-Kandidaten Kolumbien, Mexiko und Polen angesichts der Finanzkrise Unterstützung von bis zu 52 Milliarden Sonderziehungsrechten (SZR), der IWF-Währung, eingeräumt. Dies entspricht etwa 57 Milliarden Euro.
Um so hohe Beträge schnell zur Verfügung stellen zu können, beschlossen die G20-Regierungen bei ihrem Gipfel in London Anfang April, die Mittel des IWF auf 750 Milliarden Euro zu verdreifachen.
Angesichts dieser Zahlen warnt Klaus Stein, deutscher Exekutivdirektor beim IWF, allerdings davor, die Veränderungen in der Politik des Fonds überzubewerten. Er betont, dass die Institution ihre bekannten Kreditkonditionen weiter anwende. Der alte Mechanismus des sogenannten Stand-By Arrangements (SBA) sei "nach wie vor das Hauptinstrument", sagt Stein.
Im Falle osteuropäischer Staaten wie Rumänien und Lettland sehen die Programmvereinbarungen mit dem Fonds "harte Maßnahmen" als Gegenleistung für Kredithilfen vor. "Das ist kein Zuckerschlecken", betont Stein. Eine Delegation des IWF hat die lettische Regierung - die die Anbindung ihrer Währung Lat an den Euro zu einem festen Wechselkurs unbedingt beibehalten will - kürzlich gemeinsam mit der EU-Kommission gedrängt, die Ausgaben im öffentlichen Sektor weiter zu senken.
Eine Abschaffung des alten Washington Konsenses mag Stein denn auch nicht erkennen. Allerdings räumt er ein, dass die bisherige Politik modifiziert und nicht mehr so harsch durchgesetzt werde wie früher. "Der Washington Konsens wird mit mehr Verstand angewandt", sagt Stein.
Wandel ist auch an anderer Stelle im Gang. 2008 beschloss der IWF die Anpassung der Stimmrechte unter anderem zugunsten der Entwicklungs- und Schwellenländer. Der Bundestag hat den Änderungen im IWF-Übereinkommen am 22. Januar zugestimmt.
In London vereinbarte der G20-Gipfel zudem, die Stimmrechte bis 2011 noch einmal zu verändern. Der Einfluss der großen Schwellenländer wird damit weiter wachsen, der der Industrieländer etwas abnehmen. Auch dies könnte dazu führen, dass die Interessen ärmerer Länder in den künftigen Kreditkonditionen des Internationalen Währungsfonds einen stärkeren Niederschlag finden.
Der Autor arbeitet als freier Wirtschaftsjournalist in Berlin.