PROJEKTFINANZIERUNG
Wie kommt deutsche Entwicklungshilfe an ihr Ziel? Ein Blick nach Madagaskar
Es gibt die Weltbank und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und die Entwicklungsbank der deutschen KfW Bankengruppe, kurz: Die Anzahl der Akteure in der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit ist beeindruckend. Und fast alle arbeiten mit staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen in den Partnerländern zusammen. Wie wird überhaupt sichergestellt, dass die bereitgestellten Mittel auch am richtigen Ort ankommen? Wie wird verteilt und kontrolliert, wie am Ende die Wirksamkeit überprüft?
Bei der Beantwortung dieser Fragen hilft ein Blick auf ein Projekt im afrikanischen Madagaskar: Eine Gruppe junger Schüler drängt sich um einen riesigen Baum im Ankarafantsika-Nationalpark im Herzen des Landes. Neugierige Blicke suchen nach weltweit einzigartigen Tieren wie Feuchtnasenaffen und Lemuren. Von den Blättern tropft es, die Wege sind matschig, aber das Interesse ist groß. Seitdem die KfW-Entwicklungsbank im Jahr 1998 den Aufbau des Nationalparks zu unterstützen begonnen hat, werden jedes Jahr mehrere hundert Schulklassen mit der Bedeutung der Natur vertraut gemacht.
Das Projekt wird vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert, das 2009 über einen Haushalt von 5,81 Milliarden Euro verfügt. Fast die Hälfte des BMZ-Gesamtetats fließt in die bilaterale staatliche Zusammenarbeit (49,2 Prozent), also in Projekte, die zwischen der deutschen Regierung und ihren Partnerländern vereinbart werden.
"Alle zwei bis drei Jahre erstellt unser Ministerium eine Liste mit Zielen, Schwerpunkten und Partnerländern", sagt Ronald Meyer, Leiter des BMZ-Referats zu Grundsätzen der Qualitätssicherung. "Dabei geht es einerseits um die Bedürftigsten, andererseits um die Bedeutung eines Landes bei sogenannten globalen öffentlichen Gütern, also beispielsweise dem Weltklima. Hinzu kommen die politischen Beziehungen, die gemeinsame Geschichte und die Chancen auf Entwicklung."
Vom Gesamtbudget des BMZ gehen weitere Teile an den Europäischen Entwicklungsfonds (14,1 Prozent), an die Weltbank-Gruppe (13,5 Prozent) sowie an die Vereinten Nationen (5,5 Prozent). Zu den Zielen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zählen Armutsbekämpfung, Umweltschutz und Frieden. Zudem hat sich die Bundesrepublik den Milleniums-Entwicklungszielen verpflichtet. Der ärmste Kontinent Afrika spielt dabei eine besondere Rolle. Madagaskar ist eines der 58 Partnerländer Deutschlands, die Instandsetzung des Ankarafantsika-Nationalparks wurde in Regierungsverhandlungen beschlossen.
Ursprünglich war der Inselstaat ein einziger Wald. Die größtenteils in Armut lebende Bevölkerung rodete jedoch 90 Prozent für Viehhaltung, Reisanbau und Brennholz. Madagaskar geriet in einen Teufelskreis aus Umweltzerstörung und Armut. Weil auf den abgeholzten Flächen der Regen den fruchtbaren Boden wegwusch, wurden immer neue Waldflächen gerodet. Das BMZ sah dringenden Handlungsbedarf.
Der Entwicklungsexperte Kishore Mahbubani aus Singapur wirft den Geberländern vor, überwiegend Partnerländer auszuwählen, die ihre eigenen Interessen unterstützen. "Der Großteil der Entwicklungshilfe geht nicht an die ärmsten Staaten der Welt, sondern an Länder, in denen die Geber eigene Ziele haben", sagt Mahbubani. Madagaskar bezeichnet er in dieser Hinsicht als Ausnahme.
Auf Initiative der Vereinigung Madegassischer Nationalparks (MNP) wurde das Programm zum Ausbau des Anakarafantsika-Nationalparks und der Verbesserung der Lebensbedingungen der umliegenden Dorfbewohner zehn Monate lang geprüft. "Wir mussten umfassend an das Problem herangehen", berichtet Christoph Kessler, Leiter des Referats Naturressourcen bei der KfW-Entwicklungsbank. "Denn einerseits ging es um den Umweltschutz, andererseits ist dieser nur möglich, wenn er nicht zu Lasten der Anrainer geht."
Schließlich gab das BMZ grünes Licht und stattete die KfW-Entwicklungsbank mit 12,1 Millionen Euro für einen Zeitraum von zehn Jahren aus. Ziel war es laut Kessler, "einen eigenständigen Nationalpark aufzubauen, der Tiere schützt und Touristen anzieht und gleichzeitig das Leben der Menschen in den umliegenden Dörfern zu verbessern - also vor allem die Qualität der Böden und die landwirtschaftlichen Erträge". Zwei Fliegen sollten also mit einer Klappe geschlagen werden - auf einem Kontinent wie Afrika kein leichtes Unterfangen. Denn seit die meisten Länder vor rund 40 Jahren in die Unabhängigkeit entlassen wurden, hat sich die Lage verschlechtert. "Die Entwicklungszusammenarbeit hat bei der Bekämpfung der größten Armut versagt", beklagt Kishore Mahbubani. "Von zehn Euro, die als Entwicklungshilfe für die Dritte Welt ausgegeben werden, kommen nur zwei Euro wirklich an. Das meiste fließt in Form von Verwaltungskosten, Beratungsgebühren und Verträgen mit Firmen im eigenen Land wieder zurück."
Im Ankarafantsika-Nationalpark wurden von dem KfW-Zuschuss 10,2 Millionen Euro für Sachinvestitionen und die Einstellung eines internationalen Experten ausgegeben. Es konnten Bungalows für Touristen gebaut, Autos gekauft, Wege instand gesetzt und neues Schulmaterial bezahlt werden. "Alle Anschaffungen wurden international ausgeschrieben", betont Christoph Kessler, "kein Produkt muss mehr aus Deutschland kommen." Und auch der Experte musste sich zahlreichen Konkurrenten stellen. "Am Ende ging der Auftrag an einen Hamburger Fachmann für Agrarentwicklung. Die Entscheidung trafen jedoch ausschließlich die madegassischen Partner", betont Entwicklungsexperte Kessler.
Die meisten Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit laufen entweder über staatliche Institutionen oder aber in Zusammenarbeit mit einheimischen Nichtregierungsorganisationen. Dabei ist Korruption nicht nur bei Sachinvestitionen ein heikles Thema. Etwa 1,9 Millionen Euro der Gesamtgelder flossen in den Betrieb des Parks - Personalkosten, Strom-, Telefon- und Wasserversorgung. Gleichzeitig wurden in den umliegenden Dörfern Brunnen gegraben, Dämme gebaut und Schulgebäude saniert. "Ein Mitarbeiter der KfW-Entwicklungsbank in der Hauptstadt Antananarivo und ein Projektleiter in der Zentrale in Deutschland kontrollieren die korrekte Verwendung der Mittel. Zudem untersucht ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer die Bilanzen", sagt Christoph Kessler. In der Regel greifen diese Kontrollmechanismen. Zudem wurde die Auszahlung des Geldes in Etappen vorgenommen, die an jährliche Fortschrittsberichte geknüpft sind.
2010 läuft die Förderung aus. Und tatsächlich ist es dem Nationalpark gelungen, eigenständig zu werden. Die Infrastruktur steht; Satellitenbilder zeigen, dass die Rodung zurückgegangen ist. Die Anzahl der Touristen hat sich zwischen 2000 und 2008 verdoppelt; die Einnahmen des Parks sind deutlich gestiegen. Die Bevölkerung wurde in neuen Anbaumethoden geschult, die Felder durch Wälle gesichert und Bewässerungssysteme geschaffen.
"Die Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wird über zwei Mechanismen evaluiert", erklärt Stefan Leiderer vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). "Einerseits werden die konkreten Maßnahmen betrachtet; andererseits wird auf die Gesamtentwicklung des Landes geschaut. Dabei werden der Staatshaushalt, Armutsstatistiken und Umweltindikatoren zu Rate gezogen." Zudem führt die KfW-Entwicklungsbank drei bis fünf Jahre nach Beendigung von Projekten stichprobenartig Kontrollen durch. Ob es insgesamt tatsächlich zu strukturellen Veränderungen kommt, sei nur langfristig auszumachen, so Leiderer. Denn: "Das Problem der gesamten Entwicklungszusammenarbeit ist, dass viele Maßnahmen gleichzeitig greifen müssen. Am Ende ist schwer auszumachen, welcher Euro oder welches Projekt nun die Verbesserung bewirkt hat."
Während das Nationalpark-Projekt auf Madagaskar sehr erfolgreich war, machten Probleme von ganz anderer Seite der Entwicklungszusammenarbeit einen Strich durch die Rechnung: Im März kam es zu politischen Unruhen, der Präsident wurde gestürzt. Die Zusammenarbeit auf Regierungsebene musste erst einmal eingestellt werden. Doch die konkreten Projekte laufen weiter - so gut es geht.
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Hamburg. Seine Schwerpunkte sind Afrika, Lateinamerika und der Nahe Osten.