FAIR EINKAUFEN
Fair-Trade-Produkte gibt es inzwischen in jedem Discounter. Ernsthafte Konkurrenz für die Eine-Weltläden, die einst Vorreiter der Bewegung waren?
Zwischen Vergangenheit und Zukunft der (Eine-)Weltläden liegen in Berlin-Prenzlauer Berg knapp fünf Minuten Fußweg und eine vierspurige Straße. Diesseits betreibt Claudia Strauß seit etwas mehr als einem Jahr das Geschäft "Zeichen der Zeit". Hier stehen Kosmetik- und Geschenkartikel wie edle Anti-Aging-Öle aus Afrika neben Espresso-Tassen aus Thailand. Lebensmittel machen lediglich einen kleinen Teil des Angebots aus. Der Laden liegt nahe des Kollwitzplatzes, öko und bio gehören hier zum Image. "Nur etwa 30 Prozent meiner Kunden kaufen bewusst fair ein", berichtet die Inhaberin, "der Rest, weil sie das Angebot gut finden."
Jenseits der Straße sitzt David Schirge vor dem Baobab zu Deutsch Affenbrotbaum. Es ist Freitag, kurz nach 15.00 Uhr, der Laden hat gerade erst aufgemacht. Schirge arbeitet hier ehrenamtlich, hilft ab und zu aus, weil er fairen Handel politisch richtig findet. Drinnen stehen auf Holzregalen viele Lebensmittel. Zumeist jene, die man in Weltläden erwartet: Kaffee, Tee, Grundnahrungsmittel. Dazu Spielzeug, Schmuck, kleine Musikinstrumente. "Viele Kunden kommen gezielt hierher", sagt Krista Nowak, die seit der Gründung 1990 dabei ist. Das Baobab liegt in einer ruhigen Seitenstraße.
Doch welches Konzept ist nun Zukunft, welches Vergangenheit? In einem Geschäftsfeld, das sich stets nicht nur am Preis orientiert hat, das eine Mischung ist aus Luxus und Rebellion?
Beide Läden haben eine Mission: Sie wollen hochwertige Waren verkaufen und den Erzeugern einen gerechten Lohn garantieren, sowie demokratische, soziale und ökologische Standards bei der Produktion sichern. Und beide würden gerne mehr verkaufen als bisher. Das Umfeld dafür passt: Die Nachfrage nach gerechten Produkten wächst in Deutschland stetig. Die Deutschen haben 2008 laut der Organisation Transfair für Fairtrade-Produkte rund 213 Millionen Euro ausgegeben, 50 Prozent mehr als 2007. Längst haben die meisten konventionellen Supermärkte Waren mit dem Fairtrade-Siegel im Angebot - oft zwar nur Rosen, Tee und Kaffee, teilweise aber auch ganze Produktlinien. Das ist genau das Problem: Laut dem Dachverband Weltladen, der 500 der 800 deutschen Weltläden vertritt, boomt der faire Handel vor allem bei Discountern und Großverbrauchern. Die Weltläden haben ein "deutlich langsameres Umsatzwachstum", berichtet Christoph Seitz, Sprecher des Verbandes.
Viele der Läden sind aus Initiativen für die damals noch sogenannte Dritte Welt entstanden, oft in den 1970er und frühen 1980er Jahren. Zusammengeschlossen im Verband haben sie sich erst spät. Schon aufgrund dieser kleinteiligen Struktur fällt es ihnen schwerer, sich einer veränderten Nachfrage anzupassen. Manche wollen das auch gar nicht unbedingt. Das Baobab, das dem Verband angehört, war der wohl erste Eine-Weltladen in Ostdeutschland, er hat sich als Geschäft eher so nebenbei entwickelt. Wichtiger war den Initiatoren kurz nach dem Mauerfall ihr Infoladen, berichtet Krista Nowak. Den gibt es heute noch, er ist neben dem Geschäft untergebracht. Hier arbeitet zum Beispiel das Projekt Stadtkaffee Berliner Bohne: Durch eine speziell verpackte Mischung mit Berlin-Bezug will es Verbraucher für die Nord-Süd-Problematik sensibilisieren: Fair-Trade mit Pepp. Verkauft wird der Kaffee nebenan und in anderen Geschäften der Stadt.
Informationen, Kampagnen - die gehören zu einem Weltladen unbedingt dazu, betont Krista Nowak. Sie sind ihr und den zehn ehrenamtlichen Mitarbeitern auch wichtiger als die ökonomische Bilanz: "Ohne Kampagnen können wir nicht zeigen, dass fairer Handel ein alternatives Modell ist", argumentiert Nowak. Zwar habe man schon mehrfach überlegt, ob man den Laden an eine stärker frequentierte Straße verlege. Aber das wäre dann mit Freiwilligen nicht mehr zu machen. "Außerdem: Wenn es nur noch um den Verkauf geht, hat man keine Zeit mehr, Hintergründe zu vermitteln", fürchtet sie.
Die Berliner Bohne gibt es auch bei Claudia Strauß im Zeichen der Zeit zu kaufen. Ansonsten versucht sie sich vom Baobab abzugrenzen. Jenseits der Straße gehe es politischer zu, man sei keine Konkurrenz, ist die 50-Jährige, die überwiegend von dem Laden lebt, überzeugt. Ihr Angebot sei größer, sie spreche mehr die Gourmet-Kundschaft an. Die gute Lage sei unabdingbar; die Ware müsse ansprechend präsentiert werden. "Ich will zeigen: Der faire Handel hat richtig tolle Sachen", sagt sie. Auf diese Weise möchte die Inhaberin "neue Kundengruppen" erreichen.
Verbandssprecher Christoph Seitz beobachtet seit einiger Zeit eine verstärkte Nachfrage der Mitglieder nach Beratung in Sachen Umgestaltung und Veränderung. Das sei nachvollziehbar, schließlich habe man lange mit "einem Imageproblem der Läden und Produkte" gekämpft. Auch in Sachen Information habe man sich dem Mainstream geöffnet. Bei Seitz klingt das so: "Die Zeiten, in denen Kunden von tiefgründigen entwicklungspolitischen Informationen erschlagen wurden, sind passé." Heute gebe es auf Neu- wie Stammkunden "zugeschnittene Informationen".
Darauf setzt auch Claudia Strauß. Denn nur 500 Meter von Zeichen der Zeit und Baobab entfernt gibt es zu allem Überfluss in einem großen Supermarkt ein Regal mit Tee- und Kaffeesorten mit Fairtrade-Siegel. Strauß ficht das nicht an. Lieblos seien die Produkte aufgestellt, die Verkäuferinnen würden sie nicht kennen. "Ich kann zu jedem Kaffee etwas sagen und das tue ich auch", erklärt sie. Ein Vorteil, glaubt Strauß: "Gerade in der Krise wollen die Leute wissen, wofür sie ihr Geld ausgeben."
Der Autor arbeitet als Redakteur für die "tageszeitung" in Berlin.