NEUER ANSATZ
Deutschland fördert gute Regierungsführung
Die deutsche öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ist in Afrika auf einem Irrweg. Das behaupten die acht Initiatoren des "Bonner Aufrufs", die selbst in Afrika oder in der Entwicklungsarbeit tätig waren und zum Teil noch sind. In ihrem Papier vom September 2008, das im März 2009 als Reaktion auf kritische Einwände erweitert wurde, stellen sie fest, Jahrzehnte der Hilfe hätten keine selbsttragende Entwicklung bewirkt, sondern sie behindert. Sie habe Eigenverantwortung gelähmt, Korruption gefördert und es den Regierenden ermöglicht, dringende Reformen zu unterlassen. Die Initiatoren fordern, die Hilfe auf Grund- und Berufsbildung, Kleinstkredite sowie den arbeitsintensiven Aufbau von Infrastruktur zu konzentrieren. Außerdem solle man nicht länger afrikanische Regierungen und Behörden unterstützen, da sie überwiegend reformunwillig seien, sondern eher unabhängige nichtstaatliche Organisationen (NGOs).
Die Probleme sieht auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Doch es zieht einen anderen Schluss: Seit den 1990er Jahren versucht es, auf Verbesserungen der Regierungsführung hinzuwirken. In rund der Hälfte seiner Partnerländer ist das heute ein Schwerpunkt.
Das größte Problem sind Länder mit schwachen oder gescheiterten Regierungen, von denen die meisten auch von Kriegen und Bürgerkriegen betroffen sind. Hier ist sinnvolle Hilfe besonders schwierig. Insbesondere für die Stabilisierung von Nachkriegsgesellschaften hat sich die deutsche EZ jedoch eine Reihe Instrumente zugelegt. Zum Beispiel unterstützt sie die Wiederansiedlung von Flüchtlingen, den Neuaufbau der Verwaltung sowie Versöhnung und Aufarbeitung der Vergangenheit. Solche Maßnahmen scheinen in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo insgesamt wenig zu ändern. In Liberia und Sierra Leone haben sie aber zur politischen Stabilisierung beigetragen.
In politisch stärker gefestigten Ländern fördert die deutsche EZ zum Beispiel Justizreformen, die Bekämpfung der Korruption und mehr Teilhabe der Bürger. Die Ergebnisse sind sehr gemischt. Fortschritte sieht das BMZ in Tansania, insbesondere bei der Lokalverwaltung und im Management des Gesundheitswesens. Eine Enttäuschung ist dagegen Kenia, wo Deutschland und andere Geber nach der Abwahl des langjährigen Autokraten Daniel arap Moi 2002 aufwendige Programme für die Reform der Behörden und der Justiz unterstützt haben. Doch die Korruption, auch im Rechtswesen, ist nicht spürbar eingedämmt worden; Wahlbetrug löste Ende 2007 schwere Unruhen aus und warf das Land um Jahre zurück.
Ein neuer Ansatz hilft nun, unterhalb der Regierungsspitze darauf zu drängen, dass der Staat Ansprüche der Armen beachtet: Die Förderung der Menschenrechte wird seit einigen Jahren im BMZ nicht mehr als ein Ziel unter anderen verstanden, sondern in sämtliche Programme einbezogen. Zum Beispiel soll sich Hilfe für den Ausbau der Wasserversorgung am Menschenrecht auf ausreichend sauberes Wasser orientieren. Arme gelten so nicht mehr als hilfsbedürftig, sondern als Träger von Rechten. Die Behörden der Partnerländer, die sich zu den Menschenrechten bekannt haben, sollen vom BMZ und dessen sogenannten Durchführungsorganisationen ständig an ihre Pflicht erinnert werden, in den gemeinsamen Programmen den Rechten der Bedürftigsten Priorität zu geben. Entsprechende Pilotprojekte gibt es im Wasser- und Gesundheitssektor in Kenia und Guatemala. Den Ansatz empfinden auch deutsche NGOs als Fortschritt.
Ursachen von schlechter Regierungsführung liegen aber auch außerhalb Afrikas. Dass zum Beispiel internationale Unternehmen für die Ausbeutung von Rohstoffen hohe Summen an afrikanische Regierungen zahlen, fördert bei diesen Korruption und Machtmissbrauch. Die Extractive Industries Transparency Initiative (Eiti) will daher im Zusammenspiel aller Seiten - der Konzerne, Rohstoffländer, Geber sowie der NGOs - Mindeststandards für die Transparenz solcher Zahlungen etablieren. Das BMZ unterstützt Vorhaben sowie auch einen Prozess, der den Handel mit Edelsteinen aus Kriegsgebieten unterbinden soll. Die Standards sind jedoch umstritten und nicht alle beteiligten Länder befolgen sie.
In ähnlichen sogenannten multi-stakeholder-Prozessen versucht die deutsche EZ, zusammen mit Unternehmen wie Tchibo, Nestlé und der Otto-Gruppe sowie mit NGOs soziale und ökologische Standards im Anbau von Kaffee und Baumwolle voranzubringen. Dabei erhalten Bauern Hilfe für sozial und ökologisch angepasste Anbauweisen, die zugleich bessere Qualität bringen oder Kosten sparen. Ihre Produkte wollen die beteiligten Firmen in großen Mengen vermarkten.
Grundsätzlich wirken alle Instrumente für die Stärkung von verantwortlicher Staatlichkeit nur langfristig und kaum dort, wo die Partner sich verweigern. Doch Selbsthilfe an der Basis führt allein nicht zu nachhaltiger Entwicklung. Dazu ist auch ein Staat nötig, der für eine leidlich funktionierende Rechtsordnung und den Ausbau der Infrastruktur sorgt.
Der Autor ist Chefredakteur der Zeitschrift "welt-sichten" in Frankfurt am Main.