ERNEUERBARE ENERGIEN
Ob Solarstrom aus der Wüste, Windkraft oder Biogas - das Potenzial zur Armutsbekämpfung ist hoch
Solarstrom aus der Sahara - das sei keine Fata Morgana, sagen die Initiatoren von Desertec. Riesige Sonnenkraftwerke in Nordafrika sollen mit ihrem Strom den Energiehunger Europas stillen, die Versorgung sichern und das Klima schützen. Dieses Konzept von Münchener Rück, Deutscher Bank und Co beflügelt seit Wochen Industrie und Politik - ist aber keineswegs neu. Die Vordenker des Club of Rome hatten es schon in den 1970er Jahren entwickelt. Schließlich ist nicht erst seit Desertec bekannt, dass in Afrika die Sonne scheint und dass diese sich für die Energieerzeugung nutzen lässt. Zahlreiche Projekte der deutschen Entwicklungshilfe setzen seit Jahren auf Solarkraft und andere erneuerbare Energien. Inzwischen sorgen tausende kleiner Solar Home Systems in den entlegensten Hütten für Licht, Biogasanlagen und effiziente Kochherde bringen warme Mahlzeiten auf den Tisch.
Keines dieser staatlichen Entwicklungshilfe-Projekte erweckt jedoch nur ansatzweise die Aufmerksamkeit, in der sich das privatwirtschaftliche Wüstenstrom-Wunder gerade sonnt. Dabei hat Öko-Energie seit der Eneuerbare-Energien-Konferenz der Geberländer 2004 in Bonn ein größeres Gewicht.
Das deutsche Engagement scheint geradezu vorbildlich. So ist die KfW Entwicklungsbank weltweit Spitzenreiter bei der Finanzierung von Projekten für erneuerbare Energien in Entwicklungsländern. Die GTZ zeigt den Partnerländern, welche Effekte die Einspeiseverordnung hat, InWEnt bildet vor Ort die Bürgermeister zu lokaler Nachhaltigkeitspflege aus. "Die erneuerbaren Energien boomen", freut sich Franz Marré vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Mit 160 Millionen Euro fördert Deutschland allein in diesem Jahr erneuerbare Energien in Subsahara-Afrika.
Der erhoffte Energieschub für die Entwicklung bleibt bisher aus. So haben in Subsahara bisher nur acht Prozent der Landbewohner Zugang zum Stromnetz, in den Städten sind es knapp mehr als die Hälfte. In Südasien profitieren ein Drittel der ländlichen und zwei Drittel der städtischen Bevölkerung davon. Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass auch 2030 noch 1,5 Milliarden Menschen keinen Stromanschluss haben. Nur ein einziger nachwachsender Rohstoff wird überall in Afrika stark genutzt: Biomasse. Drei Viertel der Afrikaner kochen und heizen mit Holz oder Dung. Das belastet vor allem Frauen und Kinder, die dieses Brennmaterial auftreiben müssen, schadet dem Wald und der menschlichen Gesundheit: Jährlich sterben mehr als 1,5 Millionen Menschen durch Rauch und häusliche Luftverschmutzung, schätzt die Weltgesundheitsorganisation.
Im Ausbau erneuerbarer Energien liegt dennoch enormes Potenzial für die Armutsbekämpfung, befanden die Sachverständigen, die das Thema Anfang 2009 im Bundestagsentwicklungsausschuss diskutierten. Da es auf dem Land meist keine oder nur schlechte Energienetze gibt, bieten erneuerbare Quellen gerade wegen ihres dezentralen Charakters ideale Voraussetzungen.
"Erneuerbare Energien sind fast überall verfügbar", sagt Bruno Wenn von der KfW-Bank. Afrika habe viele Sonnentage und eine hohe Strahlungsintensität, 80 Prozent der Fläche eigneten sich für Solarenergie. Für Windkraft böten sich die Küsten im Senegal, Namibia und Südafrika sowie das Hochland von Äthiopien und Kenia an. Ostafrika verfüge über beträchtliche Vorkommen an geothermischer Energie. Wasserkraftwerke könnten den gesamten Verbrauch des Kontinents decken. Erhebliches Potenzial bestehe im Einzugsgebiet der Flüsse Nil und Niger sowie an den Unterläufen von Kongo und Sambesi. Nur Biokraftstoffe seien wegen der Nahrungsmittelkonkurrenz ein zweischneidiges Schwert. Statt auf Großplantagen für den Export setzten Experten auf kleinbäuerliche Strukturen.
Das Potenzial ist also erkannt, aber Kritikern zufolge nicht ausgeschöpft. "Die erneuerbaren Energien sind in der Entwicklungszusammenarbeit ein Thema unter vielen geblieben", sagt Ute Koczy von der Grünen-Fraktion. Das Ministerium habe sich auf Ankerländer wie China oder Mexiko konzentriert, um Signale der Veränderung zu setzen. In den Ländern der Subsahara sei die Förderung weiter ein Randthema.
Auch die Liberalen sind unzufrieden. "Während die Solarenergie bereits eine gewisse, wenn auch bescheidene Rolle spielt, werden die prinzipiell großen Potenziale zur Nutzung der Windenergie bisher noch nicht genutzt", bemängelte die FDP vor zwei Jahren in einem Antrag.
Schließlich steckt in der Energiekrise der Afrikaner auch eine Chance. Der jährliche Finanzierungsbedarf für den Energiesektor beträgt rund 50 Milliarden US-Dollar für die kommenden zehn Jahre, errechnete die Weltbank. "Da können große Absatzmärkte entstehen", sagt Hellmut Königshaus von der FDP-Fraktion. Die Umsetzung ist jedoch schwierig: Die Betriebskosten von erneuerbaren Energien sind zwar häufig niedriger als die von Öl, Gas und Kohle. Doch die Investitionskosten für Wasserkraft und Geothermie sind sehr hoch, die Amortisationszeiträume lang. Ausländische Investoren klagen zudem über hohe administrative Hürden, fehlende Rechtssicherheit und lokale Expertise.
Statt auf Monumentalbauten setzt Entwicklungshilfe daher heute auf eine Vielzahl kleiner Projekte. Bewährt hat sich etwa der energieeffiziente Lehmherd, der bis zu 80 Prozent Feuerholz einspart, kaum Rauch entwickelt und das Essen schneller gar werden lässt. Innerhalb von vier Jahren lieferte die GTZ in Uganda 500.000 solcher Herde aus. "Kein anderes Projekt hat bisher einen so großen Teil der Bevölkerung erreicht", sagt Projektleiter Philippe Simonis.
Die Entwicklungshilfe hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Beispiel Bangladesh: Früher schraubten deutsche Ingenieure die High-Tech-Solaranlagen einfach nur aufs Dach. Ging etwas kaputt, hatte das Solar Home System ausgesorgt. Ein Fotovoltaik-Experte war nicht vor Ort. "Wir haben es versäumt, Wertschöpfungsketten zu bilden", sagt Stefan Opitz, Leiter der Energieabteilung bei der GTZ. Heute unterstützt ein Mikrokredit private Kunden, die nur einen Bruchteil des 320 Euro teuren Geräts anzahlen müssen. Der Krediteintreiber ist zugleich Techniker: Wenn er einmal im Monat die Rate in den Dörfern einsammelt, wartet und repariert er auch die Anlage.
Von diesen Erfahrungen profitieren auch private Investoren, etwa die Klimaschutz-Projekte auf Basis des sogenannten Clean Development Mechanism (CDM). Seit Dezember 2005 hat das Umweltbundesamt mehr als 100 deutsche Projekte registriert. Das Ziel: zusätzliches Kapital für den Klimaschutz in Entwicklungsländern zu mobilisieren. Die deutschen Projekte reichen von Windrädern auf den Galapagosinseln bis hin zu Laufwasserkraftwerken in den Ausläufern des indischen Himalayas. "Allerdings sind dabei Mitnahmeeffekte möglich", warnt Sascha Raabe, SPD-Bundestagsabgeordneter.
Die gerade auf deutsche Initiative hin gegründete Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (Irena) soll versuchen, diese alternativen Kräfte zu bündeln. Daran arbeiten künftig rund 120 Mitarbeiter mit einem Jahresbudget von 25 Millionen US-Dollar. Und während mancher noch über den neuen Öko-Kolonialismus à la Desertec schimpft, sieht Christian Ruck (CDU/CSU) die Sache so: "Manche meinen, Desertec sei ein Man-on-the-moon-Projekt. Die Mondlandung hat geklappt. Man darf also hoffen!"
Die Autorin arbeitet als Redakteurin bei der "Wirtschaftswoche."