Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Tourismus
Die vor gut zwei Jahren getroffene Zielvereinbarung zwischen
Hotel- und Gastronomieverbänden einerseits und Sozial- und
Behindertenverbänden andererseits über die
standardisierte Erfassung, Bewertung und Darstellung barrierefreier
Angebote wird nur "schleppend umgesetzt". Darauf verwies
Sandra Warden vom Deutschen Hotel- und
Gaststättenverband (Dehoga) am Mittwoch, dem 7. November 2007,
in einer öffentlichen Anhörung des Tourismusausschusses
zum Thema "Barrierefreies Reisen".
Bei den Hotels gebe es nur eine Selbstüberprüfung und
keine Zertifizierung, auch weil eine gewisse
"Zertifizierungsmüdigkeit" in der Branche festzustellen sei.
Bei den Gaststätten werde die Zielvereinbarung gar nicht
überprüft. Die damals vereinbarten Standards für
Barrierefreiheit seien von den Behindertenverbänden
vorgeschlagen worden. Bei der Akzeptanz des barrierefreien Reisens
habe sich seit dem Europäischen Jahr der Menschen mit
Behinderungen 2003 viel getan, sagte Warden
weiter. Wichtig sei, dass solche Angebote am Markt erfolgreich
etabliert werden, wobei auf den guten Willen und nicht auf Zwang
gesetzt werden müsse, weil es sonst zu einer Blockadehaltung
komme. Barrierefreie Angebote seien ein wachsendes Marktsegment,
das "gestärkt und kommuniziert" werden müsse. Allerdings
gebe es in der Branche einen "mächtigen Investitionsstau", nur
wenige Betriebe könnten Barrierefreiheit aus eigener Kraft
stemmen, sagte Warden.
Ernst Birnmeyer vom Amt für Landwirtschaft
und Forsten in Weißenburg in Bayern schlug daher eine
Anschubfinanzierung für Investitionen vor. Bereits mit
kleineren Programmen könnte etwas erreicht werden. Auch sollte
die öffentliche Hand bei der Barrierefreiheit mit gutem
Beispiel vorangehen. Die Kriterien sollten dabei nicht zu hoch
gesetzt werden, so Birnmeyer, und die Betroffenen vor Ort
müssten eingebunden werden.
Jan Lembach vom Verein "Naturpark Nordeifel"
bezeichnete Barrierefreiheit als wichtigstes Kriterium in jeder
touristischen Förderung. Es gebe hier ein großes
Informationsdefizit, jede touristische Region benötige eine
Beratungsstelle mit der Kompetenz für Barrierefreiheit im
Tourismus, sagte Lembach.
Fehlende Angebotstransparenz stellte Erwin
Pfeiffer vom ADAC fest. Es sei schwierig, sich über
das bundesweite Angebot kundig zu machen. Angestrebt werden sollte
daher eine bundesdeutsche Lösung einer Datenbank
barrierefreier Tourismusangebote.
Für Johann Kreiter von der Nationalen
Koordinationsstelle "Tourismus für alle", einer Schnittstelle
zwischen Tourismuswirtschaft und Reisenden mit Behinderungen, kommt
es darauf an, die Kommunikation zwischen den Verbänden zu
verbessern. Mit dem bisher Erreichten sei er noch nicht zufrieden,
sagte Kreiter.
Carmen Hildebrandt von der Tourismus GmbH
Erfurt nannte die Forderungen der Behindertenverbände
"manchmal überzogen". Dies gelte etwa für die Forderung,
jeder Behinderte müsse allein reisen können. Die meisten
behinderten Menschen reisten jedoch fast immer mit der Familie, mit
Bekannten oder Verwandten.
Natalie Goern vom Bundesverband Deutsche
Omnibusunternehmen sagte, noch immer sei das barrierefreie Reisen
ein "Nischenprodukt". Sie verwies auf die Kosten für die
Unternehmer, die für einen Bus 400.000 Euro und für eine
Spezialausrüstung für behinderte Menschen zusätzlich
bis zu 50.000 Euro zahlen müssten. Ein barrierefrei
ausgestatteter Reisebus verfüge über weniger Sitze, somit
könnten auch weniger Reisende befördert werden. Der
Verband wolle das barrierefreie Reisen aber voranbringen und habe
ein Verzeichnis von 50 Busunternehmen erstellt, die barrierefreies
Reisen anbieten. Gegenüber anderen Verkehrsmitteln habe der
Bus im Hinblick auf barrierefreies Reisen keine Nachteile, sondern
vielmehr Vorteile, sagte Goern. Allerdings hätten viele
Unternehmen keine Möglichkeit, noch weiter zu investieren,
weil sie am Existenzminimum arbeiteten.
Barrierefreiheit soll behinderten Menschen Zugang zu verschiedenen Lebensbereichen sichern. Der Zugang sollte ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe möglich sein. Das vor fünf Jahren in Kraft getretene Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) definiert unter § 4 Barrierefreiheit folgendermaßen:
Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Ernst Birnmeyer, Amt für Landwirtschaft und Forsten Weißenburg in Bayern
Dr. Carmen Hildebrandt, Tourismus GmbH Erfurt
Johann Kreiter, Nationale Koordinationsstelle Tourismus für Alle (NatKo)
Jan Lembach, Naturpark Nordeifel e.V.
Erwin Pfeiffer, Allgemeiner Deutscher Automobil-Club (ADAC)
Wolfgang Steinbrück, Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO)
Sandra Warden, Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA)