Abgeordnete und ihre Berufe: Die Publizistin Luc Jochimsen
Der Einstieg klappte erst beim zweiten Versuch. Zur Bundestagswahl 2002 ging Lukrezia Jochimsen, die eigentlich nur Luc genannt wird, als Spitzenkandidaten der PDS in Hessen ins Rennen – und scheiterte an der fünf Prozent-Hürde. Für Luc Jochimsen eine herbe Enttäuschung. Nur 1,3 Prozent der Stimmen „und das, obwohl ich ja nun nicht ganz unbekannt bin“. Luc Jochimsen, die 1936 in Nürnberg geboren, promovierte Soziologin, hat drei Jahrzehnte lang die politische Berichterstattung in Deutschland mitgeprägt. Von 1975 bis 1985 war sie Redakteurin beim Polit-Magazin Panorama, später ARD-Korrespondentin in London und schließlich sieben Jahre lang Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks. Jochimsen kennt den politischen Betrieb, ließ sich jedoch nie von einer Partei vereinnahmen. „Wenn ich als politische Journalistin arbeite, kann ich nicht Mitglied einer Partei sein. Das war immer meine Haltung.“
Im Jahr 2001 ging sie mit 65 Jahren in den journalistischen Ruhestand. „Eigentlich wollte ich von da an ein wunderbar ruhiges Leben in Italien führen, aber es kam anders...“ Dietmar Bartsch, damals Wahlkampfleiter der PDS, fragte an, ob sie sich vorstellen könnte, als unabhängige Kandidatin bei der Bundestagswahl in Hessen für die PDS anzutreten.
Ja, das konnte sie – mit dem bekannten Ergebnis. Damit schien das „politische Abenteuer“ beendet. Den Kontakt zur PDS hielt sie dennoch, moderierte Lesungen und politische Tagungen. Drei Jahre später gelang dann über die Landesliste Thüringen der Einzug ins Parlament. Jochimsen arbeitete fortan als kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Kulturausschuss.
Dass sie sich gegen Italien und für die parlamentarische Karriere entschieden hat, begründet Luc Jochimsen mit einer früheren Enttäuschung. Enttäuscht nämlich, so erzählt sie, sei sie gewesen, als sie 1994 nach langjähriger Arbeit im Ausland nach Frankfurt am Main kam und die Chefredaktion des Hessischen Rundfunks übernahm. „Ich dachte, ich komme in ein verändertes Land, das etwas aus Ost und aus West angenommen hat. In Frankfurt und Hessen war davon jedoch überhaupt nichts zu spüren“, so Jochimsen. Sie stellte stattdessen einen ausgrenzenden Umgang mit der PDS fest, insbesondere in der Chefredakteursrunde der ARD. „Das habe ich immer wieder kritisiert – da hieß es: die PDS sei ein lokales Phänomen, das im Übrigen bald aussterben werde.“
Die hessische Chefredakteurin Jochimsen sah dies anders. „Ich habe mich bemüht, politische Sendungen zu etablieren, in denen auch Politiker der PDS zu Wort kommen.“
Womit keineswegs eine Parteinahme verbunden war. „1998 habe ich begeistert SPD gewählt, daraus mache ich gar keinen Hehl.“ Nach 16 Jahren Helmut Kohl sah sie die Zeit für eine Änderung im Land gekommen. Auch wenn sie letztlich von der rot-grünen Regierung enttäuscht wurde – was auch ihren Schritt zur PDS begründet – sieht sie Gerhard Schröder als eine „herausragende politische Figur“ an: „Schröder hatte politisches Charisma.“
Ihre eigene Rolle als Linken-Oppositionsparlamentarierin vergleicht Luc Jochimsen gern mit der Arbeit als Panorama-Redakteurin. Jetzt würde zwar rückblickend positiv über Panorama geredet, doch habe sie damals erfahren, was den Linken heute passiere: „Uns wurde vorgeworfen, wir lägen außerhalb des gesellschaftlichen Mainstreams und würden Dinge fordern, die illusorisch seien.“ Auch von „Nestbeschmutzung“ war die Rede. „Wir waren und sind gewissermaßen der Stachel im Fleisch“.
Wird die 71-jährige diese Rolle auch in den nächsten vier Jahren einnehmen?. „Wenn mein thüringischer Landeverband es unbedingt will, dann mache ich das einfach noch mal. Wir haben eine phantastische Zusammenarbeit“ lobt Jochimsen.