Serie: Abgeordnete und ihre Berufsfelder
Damenschneiderin und Förster, Dolmetscherin und Winzer -
die Abgeordneten im Bundestag kommen aus ganz verschiedenen
Berufen. Die am häufigsten vertretene Berufsgruppe bilden mit
23 Prozent die Juristen. Der Rest der insgesamt 613 Abgeordneten
hat in 121 anderen Berufen Erfahrungen gesammelt. Eine kleine
Vorstellungsrunde...
Politische Karrieren beginnen meist sehr früh. Parteieintritt mit 18 oder früher, Kommunalpolitik auf Orts- und Kreisebene, schließlich Bundestag. Doch die Vielfalt im Plenum lebt auch von den Quereinsteigern, die viel Fachwissen mitbringen.
Zu ihnen zählt Gudrun Kopp, 56. Die Bundestagsabgeordnete kam erst mit knapp 50 Jahren ins Parlament - und das war alles andere als geplant, erzählt sie. Ihr Werdegang beginnt mit einer Ausbildung als Exportkauffrau und einem Studium zur staatlich geprüften Dolmetscherin und Übersetzerin mit dem Schwerpunkt Elektrotechnik. Dann folgt eine Familienphase. Gudrun Kopp kümmert sich um ihre beiden Kinder und einen pflegebedürftigen Elternteil.
Von 1979 bis 1994 gehört sie der Ratsversammlung von Lage/Lippe an. Hier ist sie unter anderem Vorsitzende des Finanzausschusses und der FDP-Fraktion. Ihre Themen sind Bildungs-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik. "Mein Interesse für Politik kam aus einem bürgerschaftlichen Engagement heraus", so Gudrun Kopp. Dann, in den neunziger Jahren, schlägt der Parteivorsitzende ihr vor, für den Wahlkreis Lippe 1 in Nordrhein-Westfalen für den Deutschen Bundestag zu kandidieren.
Es ist das Wahljahr 1998. Und es ist der richtige Zeitpunkt für Gudrun Kopp. Die Kinder sind aus dem Haus, es ist Zeit für eine neue Herausforderung.
Seit 1998 ist sie Abgeordnete der FDP-Bundestagsfraktion; heute Sprecherin für Energiepolitik und Welthandelsfragen. "Politik und Wirtschaft wissen zu wenig voneinander", stellt sie immer wieder fest. So entstünden Missverständnisse, falsche Denkansätze und schließlich falsche politische Weichenstellungen. Dieses Defizit abzubauen, bemüht sich die Abgeordnete seit langem. Zum Beispiel lädt sie regelmäßig mittelständische Unternehmer in den Bundestag ein, die sie als "Kurzzeitpraktikanten" zu Ausschusssitzungen, Fachgesprächen und parlamentarischen Abenden begleiten.
"Die Unternehmer sind oft sehr überrascht", sagt Gudrun Kopp, "vor allem über den hohen bürokratischen Aufwand und das hohe Maß an Geduld, das man im Bundestag aufbringen muss, um selbst kleine Schritte auf dem Weg zu Entscheidungen voran zu bringen." Auf der anderen Seite besucht die Abgeordnete mittelständische Unternehmen, schaut sich die unmittelbaren Auswirkungen von Gesetzen, zum Beispiel auf die Bürokratielast, in der Wirtschaft an. Um den Austausch zu kultivieren, gründet sie in ihrem Wahlkreis Lippe 1 nun auch einen Wirtschaftsclub.
Ihr vergleichsweise verzögerter Einstieg in die Politik ist ihr von Vorteil. Zum einen kann Gudrun Kopp ihre Erfahrungen aus dem Berufs- und Familienleben optimal in den Bundestag einbringen. Zum anderen weiß sie genau, wie die Politik in der Realität ankommt.