Sachverständige nahmen im Rechtsausschuss Stellung
Alle zehn Sachverständigen haben der geplanten Reform des Versorgungsausgleichs nach Ehescheidungen gute Noten erteilt. In einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwoch, dem 3. Dezember 2008, verglichen sie den Gesetzentwurf der Bundesregierung ( 16/10144) mit dem jetzigen Rechtszustand, über den das Urteil einhellig negativ ausfiel.
Bei einer Ehescheidung werden die während der Ehe erworbenen
Anwartschaften auf eine Versorgung zur Hälfte geteilt,ob es
sich nun um Ansprüche auf gesetzliche Rente, auf
Beamtenpension, Betriebsrente, Zusatzversorgung oderauf Leistungen
aus privaten Rentenversicherungen handelt.
Das jetzige System basiert auf dem Einmalausgleich über die gesetzliche Rentenversicherung, nachdem alle Anrechte gegeneinander aufgerechnet wurden. Diesen Einmalausgleich will die Bundesregierung abschaffen. Nun heißt das Stichwort interne Teilung: Jeder in der Ehe erworbene Versorgungsanspruch soll künftig im jeweiligen Versorgungssystem zwischen den Eheleuten geteilt werden.
Das Problem ist bisher, dass Anrechte aus betrieblicher Versorgung
und privater Vorsorge nur teilweise und nur mit einem Teil ihres
tatsächlichen Wertes ausgeglichen werden, weil der
mögliche schuldrechtliche Ausgleich im Versorgungsfall oft
nicht stattfindet. Hinzu kommt, dass die betriebliche und die
private Vorsorge immer wichtiger werden.
Dauerte die Ehe nur bis zu zwei Jahren, soll künftig auf den Versorgungsausgleich verzichtet werden, weil in den meisten Fällen nur Bagatellbeträge zu übertragen wären, die einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand bei den Versorgungsträgern auslösen würden.
Dr. Wolfgang Binne von der Deutschen
Rentenversicherung Bund wies darauf hin, dass es in der Praxis
Probleme bereite, Ansprüche aus unterschiedlichen
Versorgungssystemen in ihrer Wertentwicklung vergleichbar zu
machen. Nach der Reform würden beide Ex-Partner
gleichermaßen an der Wertentwicklung teilhaben, jedem stehe
die Hälfte zu.
Nachteilig sei, dass es künftig zu einer Zersplitterung der Anrechte kommen werde. Wenn beide Partner zum Beispiel je einen Anspruch auf gesetzliche Rente, auf Betriebsrente und auf private Rentenversicherungen haben, können daraus nach der jeweiligen Teilung sechs Ansprüche werden, wie Prof. Dr. Dr. Eberhard Eichenhofer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena unterstrich. "Kann die Politik das dem Publikum zumute?", wollte er wissen. Statt des Zugewinnprinzips soll nun der Hin- und Her-Ausgleich angewendet werden, so Helmut Borth, Präsident des Amtsgerichts Stuttgart.
Bedenken gegen einen generellen Verzicht auf Versorgungsausgleich
bei kurzer Ehe äußerte Prof. Dr. Nina
Dethloff von der Universität Bonn. Gerade in
arbeitsteiligen Ehen seien minimale Ausgleichsdifferenzen nicht
immer nur geringfügig. Wolfgang Binne plädierte
dafür die ausgleichsfreie Ehezeit mit drei statt zwei Jahren
anzusetzen. Ein Ausgleich sollte nur dann vorgenommen werden, so
der Experte, wenn er von einem der Scheidungswilligen beantragt
wird.
"Es gibt keinen Königsweg beim Versorgungsausgleich", so das Fazit von Rainer Glockner, Rechtsberater aus Karlsruhe. Auf das Problem des Kapitalwerts der einzelnen Versorgungsansprüche angesprochen, sagte Glockner, entweder müsse ein versicherungsmathematischer Barwert für alle Ansprüche oder für jedes Versorgungssystem ein eigener Barwert ermittelt werden.
Für Dr. Meo-Micaela Hahne, Vorsitzende
Richterin am Bundesgerichtshof, stößt die Praxis des
jetzigen Rechts "an die Grenzen der Verfassung". Der Hin- und
Her-Ausgleich gewährleiste am ehesten, dass die Ex-Gatten die
Versorgung bekommen, die sich sich "in der Ehe erdient haben". Auch
Jörn Hauß, Düsseldorfer Fachanwalt
für Familienrecht, glaubt dass die Ausgleichsgerechtigkeit
deutlich zunehmen wird. Für ihn spricht vieles dafür,
dass die Praktiker das neue Recht schneller begreifen werden als
das alte.
"Überzeugendes Konzept"
Die Heiligenhauser Rentenberaterin Dagmar Niehaus trat "angesichts überlasteter Gerichte" dafür ein, bei kurzen Ehen den Versorgungsausgleich "auf Antrag" zuzulassen. Dies empfahl auch Prof. Dr. Franz Ruland, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger, für den Fall, dass die Ausschlussklausel nicht aus dem Gesetz gestrichen wird, was er bevorzugen würde.
"Überzeugend" nannte Dr. Birgit Uebelhack,
stellvertretende Geschäftsführerin der
Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung, das
Konzept der Regierung. Sie plädierte jedoch dafür, den
Versorgungsausgleich erst ab drei Ehejahren vorzuschreiben und
Anwartschaften, die noch verfallen können, etwa innerhalb der
ersten fünf Jahre im Betrieb, vom Versorgungsausgleich
auszunehmen, wenn sich um geringfügige Anrechte handelt.