Unterschiedliches Echo im Rechtsausschuss auf Vorschläge der Grünen
Ob sich Kandidaten für das Amt des Bundesverfassungsrichters in Zukunft einer öffentlichen Anhörung stellen sollen, ist unter Experten umstritten. Das wurde bei einer Anhörung des Rechtsausschusses am Montag, 15. Juni 2009, deutlich. Grundlage der Diskussion waren Vorschläge von Bündnis 90/Die Grünen. Die Abgeordneten fordern die Einführung öffentlicher Anhörungen, da zurzeit kein Verfahren bestehe, "das der Öffentlichkeit die Möglichkeit eröffnet, sich aufgrund eigener Anschauung eine fundierte Auffassung zu den Kandidaten zu bilden".
Die Fraktion hat einen Gesetzentwurf (
16/9628) und einen Antrag (
16/9927) zu dem Thema vorgelegt. Darin wird
vorgeschlagen, dass nicht mehr ein Wahlausschuss des Bundestages,
sondern der gesamte Bundestag über die Berufung der Richter
abstimmen soll, und zwar mit Dreiviertelmehrheit. Bislang ist im
Wahlausschuss eine Zweidrittelmehrheit für die Richterwahl
ausreichend. Darüber hinaus fordert die Fraktion, dass jedem
Senat mindestens drei Frauen angehören sollen.
Prof. Dr. Christian Calliess, der in Berlin öffentliches Recht lehrt, wandte sich gegen die Einführung öffentlicher Anhörungen, wie sie in den Vereinigten Staaten praktiziert werden. Diese seien typisch für das präsidiale System, mit dem parlamentarischen System der Bundesrepublik aber nicht vereinbar. Durch die öffentliche Befragung würden Kandidaten zu Festlegungen in politisch brisanten Fragen gedrängt, was bei einem späteren Prozess den Vorwurf der Befangenheit mit sich bringen könnte.
Auch Heike Krieger, Richterin am
Verfassungsgericht des Landes Berlin, lehnte öffentliche
Anhörungen ab: Diese könnten von den Beteiligten zur
politischen Profilierung genutzt werden und zu einer Politisierung
des Verfahrens führen.
"Wissensvorsprung mancher Beteiligter"
Prof. Dr. Dr. Winfried Hassemer, ehemaliger Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts und heute Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, unterstützte die Idee öffentlicher Anhörungen dagegen energisch. Er kritisierte, dass im aktuellen Verfahren ein Wissensvorsprung von manchen Beteiligten bestehe, Kandidaten und Richter aber oft nicht informiert würden. Der Rechtsausschuss wäre ein geeignetes Gremium, um solche Anhörungen mit der notwendigen Fachkenntnis durchzuführen, sagte er.
Prof. Dr. Hans-Peter Schneider, Direktor des
Deutschen Instituts für Föderalismusforschung, vertrat
hingegen die Meinung, dass nur ein amtierender oder aktueller
Verfassungsrichter die Kompetenz hätte, eine solche
Anhörung zu moderieren. In der Vergangenheit hätten
Kandidaten nicht die Möglichkeit gehabt, öffentlich auf
Vorbehalte gegen ihre Person zu reagieren. Deshalb unterstütze
er ebenfalls die Einführung öffentlicher
Anhörungen.