Der von CDU/CSU und FDP unterstützte Köhler erhielt damit
exakt die Stimmenzahl, die mindestens erforderlich war, um im
ersten Wahlgang wiedergewählt zu werden. In der 1.224
Mitglieder zählenden Bundesversammlung waren 1.223 Stimmen
abgegeben worden. Ein Mitglied, der Bundestagsabgeordnete Wolfgang
Gehrcke von der Linksfraktion, fehlte wegen kurzfristiger
Erkrankung.
Gesine Schwan war von der SPD, Peter Sodann von der Linkspartei
unterstützt worden. Der Kandidat von NPD und DVU, Frank
Rennicke, erhielt vier Stimmen. Dazu gab es zehn Stimmenthaltungen
und zwei ungültige Stimmen.
Horst Köhler dankte allen, die ihn gewählt hatten, und bekundete seinen demokratischen Mitbewerbern und deren Wählern seinen Respekt. In einer kurzen Ansprache ging der Präsident auf die aktuelle Krisensituation ein und rief zu Zuversicht auf: "Wir werden es schaffen. Überall in Deutschland gibt es Ideen und Tatkraft." Eines Tages werde man sagen, man habe in dieser Zeit viel gelernt. "Wir wollen uns dieser Stärke bewusst sein. In unserer Demokratie gilt jede Stimme." Dazu gehöre auch das Gefühl, dass jeder gebraucht werde.
Arbeit, Bildung und Integration sind nach den Worten Köhlers
die Felder, auf denen man vorankommen müsse. Es gebe immer
mehr Ältere und weniger Jüngere: "Wir wollen Erfahrung
und Neugier neu zusammenbringen." in einem kreativen Miteinander
vonf Alt und Jung gebe es viele Chancen.
"Wir wollen uns für eine menschliche Globalisierung mit verlässlichen Regeln einsetzen", betonte das Staatsoberhaupt. Es gelte, eine Antwort auf die globale soziale Frage zu finden: "Wir wollen dazu beitragen, dass mehr Gerechtigkeit in die Welt kommt." Es solle bewahrt werden, was möglich ist, und verändert werden, was notwendig ist.
Köhler bedankte sich bei seiner Frau Eva Luise ("Jede Stunde
ist ein Geschenk mit Dir") und schloss mit den Worten: "Gott segne
unser Deutschland."
Zu Beginn der Bundesversammlung im Reichstagsgebäude würdigte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert (CDU) das Grundgesetz als die beste und freiheitlichste Verfassung, die Deutschland je hatte. Die Bundesrepublik könne auf 60 außergewöhnlich gute, erfolgreiche Jahre in Frieden und Freiheit zurückschauen und deshalb "auch in schwierigen Zeiten mit begründeter Zuversicht in die Zukunft blicken".
Lammert begrüßte unter den Ehrengästen die
früheren Bundespräsidenten Walter Scheel, Richard von
Weizsäcker und Roman Herzog. Mit dem Inkrafttreten des
Grundgesetzes vor 60 Jahren, so der Bundestagspräsident, habe
– zunächst nur für die Westdeutschen – die
beste Zeit ihrer Geschichte begonnen.
Diese „beispiellose Epoche des Friedens und der Freiheit, des
wirtschaftlichen Aufschwungs und der sozialen Sicherheit“ sei
nicht selbstverständlich gewesen. Im März 1949
hätten 40 Prozent der Deutschen erklärt, ihnen sei die
künftige westdeutsche Verfassung gleichgültig. Noch
fünf Jahre nach seiner Verkündung am 23. Mai 1949
hätten mehr als die Hälfte der Deutschen das Grundgesetz
überhaupt nicht gekannt.
„Das Vertrauen in die beste und freiheitlichste Verfassung, die Deutschland je hatte, ist nicht vom Himmel gefallen. Es ist dem Grundgesetz über die Jahre erst zugewachsen“, sagte der Präsident. Heute sei Deutschland keine „Demokratie ohne Demokraten“ mehr, betonte Lammert.
Die Deutschen in Ost und West seien ganz überwiegend von der
politischen Verfassung, dem Grundgesetz und der von ihm
begründeten parlamentarischen Demokratie überzeugt.
Längst gelte das Grundgesetz als eine der „großen,
exemplarischen Verfassungen der Welt“.
Lammert dankte „allen Frauen und Männern, die dieses Land unter schwierigen Bedingungen wiederaufgebaut und zu einem der angesehenen Mitglieder der Völkergemeinschaft gemacht haben“. Mit „besonderer Hochachtung“ würdigte er den Einsatz vieler Tausender Menschen in der damaligen DDR.
Sie hätten in einer “beispiellosen unblutigen
Revolution“ politische Bevormundung und Entmündigung
überwunden. Mit der „souveränen Entscheidung“
der ersten freigewählten Volkskammer, dem Geltungsbereich des
Grundgesetzes beizutreten, hätten sie erstmals in der
Geschichte der Deutschen „Einigkeit und Recht und Freiheit
zusammen möglich gemacht“.
Die Bundesversammlung beschloss mit "überragender Mehrheit" einen gemeinsamen Antrag von CDU, CSU, SPD, FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und der Freien Wähler aus Bayern. Danach gilt die Geschäftsordnung des Bundestages für die Bundesversammlung sinngemäß mit der Maßgabe, dass Anträge zur Geschäftsordnung schriftlich gestellt werden müssen und eine mündliche Begründung oder Aussprache nicht stattfindet.
Mit "übergroßer Mehrheit" lehnte die Bundesversammlung
einen Antrag der vier Delegierten von NPD und DVU ab, die eine
eigene Geschäftsordnung vorschlugen. Einen weiteren Antrag
dieser vier Delegierten, eine bis zu 30-minütige
Kandidatenvorstellung zu ermöglichen, ließ
Bundestagspräsident Lammert unter Hinweis auf Artikel 54 des
Grundgesetzes, der eine Aussprache in der Bundesversammlung
verbietet, nicht zu.