Eine Erhöhung von Abgeordnetendiäten kommt immer zum falschen Zeitpunkt. Insbesondere dann, wenn eine gewisse Boulevard-Zeitung mit den großen Buchstaben Emotionen weckt. Verlag und hochbezahlte Chefredaktion - deren Bezüge nicht veröffentlich werden - können sicher sein, dass sich mit solcher Art Berichterstattung die Auflage kräftig steigern lässt.
Der Bundestagspräsident ist nach dem Abgeordnetengesetz verpflichtet, im ersten Halbjahr nach der konstituierenden Sitzung des Parlaments den Fraktionen einen Vorschlag zur Anpassung der Abgeordnetenentschädigung vorzulegen. Am 4. April schlug Norbert Lammert (CDU) deshalb vor, dass die Bezüge der Abgeordneten bis 2009 entsprechend den allgemeinen Löhnen in der Wirtschaft steigen sollen. Für 2006 würde dies ab Mai eine Erhöhung der monatlichen Diäten um 1,3 Prozent bedeuten - ein Anstieg um 91 auf 7.100 Euro.
Grundlage für künftige Anhebungen bis zum Ende dieser Wahlperiode sollen nach Lammerts Vorstellungen die jährlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes über die durchschnittliche Erhöhung der Erwerbseinkommen sein. Nach dem Abgeordnetengesetz orientiert sich die Höhe der Bezüge für Bundestagsabgeordnete an der Besoldung der Wahlbeamten von Städten und Kreisen mit mehr als 150.00 Einwohnern sowie an der Besoldung eines Richters an einem Obersten Gerichtshof des Bundes. Seit 2003 hat es keine Diätenanhebung mehr gegeben. Dadurch lägen die Bezüge der Parlamentarier mehr als zwölf Prozent unter diesen Normwerten, unterstrich Lammert. Dieser Abstand soll nach seiner Meinung in dieser Wahlperiode nicht mehr ausgeglichen, aber auch nicht größer werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat seit dem "Diätenurteil" von 1975 wiederholt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Mitglieder des Deutschen Bundestages nach Artikel 48 Absatz 2 des Grundgesetzes Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung haben. Der jeweilige Betrag muss danach auch der Bedeutung dieses besonderen Amtes unter Berücksichtigung der damit verbundenen Verantwortung und Belastung und außerdem auch des dem Mandat im Verfassungsgefüge zukommenden Ranges gerecht werden. Lammert merkte an, Karlsruhe habe unmissverständlich klargestellt, dass diese Entschädigung - wie in der Verfassung bestimmt - durch Gesetz und damit öffentlich für die Bürger nachvollziehbar und zugleich auch zwingend von den Betroffenen selbst festgelegt werden muss.
Lammerts Vorschlag wird jetzt in den Fraktionen diskutiert. Für die CDU/CSU nannte deren Vorsitzender Volker Kauder diesen "gut". Das bestehende System habe sich im Grundsatz bewährt. Die Abgeordneten erhielten ihrer Aufgabe entsprechend eine "angemessene", bei weitem nicht übertriebene Besoldung.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Olaf Scholz, sagte dagegen, er könne sich eine Erhöhung der Bezüge nicht vorstellen, ohne dass über die Struktur der Altersversorgung gesprochen wird. SPD-Fraktionschef Peter Struck sprach sich dafür aus, das ganze Versorgungssystem zu verändern. Die jetzige Regelung sei nicht mehr angemessen.
Gerade zu dieser Frage wollte sich Lammert jedoch nicht konkret äußeren. Hierzu gebe es in allen Fraktionen unterschiedliche Ansichten. Eine Neuregelung könne ohnehin erst zu Beginn der nächsten Wahlperiode in Kraft treten, weil Kandidaten für den Bundestag die Bedingungen kennen müssten, zu denen sie sich um ein Mandat bewerben.
Von der FDP wird Lammerts Vorschlag abgelehnt. Der Parlamentarische Geschäftsführer Jörg van Essen forderte, beim Bundestagspräsidenten eine unabhängige Kommission einzurichten, die die Diätenhöhe festzulegen habe. Bei der Altersversorgung müsse man weg von der beamtenrechtlichen Regelung kommen. Die FDP bevorzuge eine Regelung wie bei freien Berufen.
Die Grünen reagierten zurückhaltend. Die (Ko-) Fraktionsvorsitzende Renate Künast erklärte, die Parlamentarier müssten mit normalen Arbeitnehmern "möglichst gleichgestellt" werden. Sie forderte die Abgeordneten auf, sie sollten selbstbewusst sagen, "dass sie etwas leisten".
Auf totale Ablehnung stießen Lammerts Vorschläge bei der Linksfraktion. Deren Parlamentarische Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann nannte die Erhöhung zur Zeiten von Kürzungen und Nullrunden als ein "schädliches Signal". Es sei nicht in Ordnung, wenn die Bezüge der Abgeordneten "deutlich zulegen". Auch sie forderte eine umfassende Reform der Altersversorgung.