Philine Roth war ein wenig enttäuscht. "Wir waren nur Dekoration, die hätten uns auch Fragen geben können, die wir dann ablesen." Die 18-jährige Schülerin des Heinrich-von-Kleist-Gymnasiums Berlin hatte gerade anderthalb Stunden neun Mitgliedern der Konferenz der Präsidenten des Europäischen Parlaments gegenüber gesessen und sie mit Fragen löchern wollen. Doch so einfach ging das nicht auf der Veranstaltung "Europa neu sehen" im Europasaal des Paul-Löbe-Hauses, in der über 100 Schüler mit den Parlamentariern anlässlich des Beginns der deutschen EU-Ratspräsidentschaft diskutierten. Denn die Sendung wurde im Fernsehen übertragen und da galten strenge Regeln.
"Diejenigen von Euch, die im Außenkreis sitzen, dürfen Fragen stellen, falls am Ende des Themenblocks noch Zeit bleiben sollte." Phoenix-Moderatorin Anke Plättner erklärte den Jugendlichen vor Beginn den Ablauf. Über ihren Köpfen strahlten Scheinwerfer, Kameras standen über und neben ihnen. Philine Roth saß mit 19 anderen im Innenzirkel der kreisförmig ausgerichteten Tische. Sie sollten die Fragen stellen, die Reihenfolge war festgelegt. Um sie herum in zwei Reihen ihre Mitschüler.
"Wir wollen von euch wissen, was ihr von der EU erwartet", formulierte der Präsident des Europa-Parlaments, Josep Borrell Fontelles, sein Anliegen. Zum dritten Mal fand eine solche Fragerunde mit Jugendlichen anlässlich einer beginnenden Ratspräsidentschaft statt. "Wie wollen Sie die europäischen Staaten zusammenfügen, um einen Gegenpol zu den USA zu bieten?" "Reicht die NATO als militärische Macht aus?" "Was können Sie gegen die Verwendung von Kindersoldaten in Uganda tun?" Die Fraktionsvorsitzenden Hans-Gert Pöttering (EVP-ED), Martin Schulz (SPE), Graham Watson (ALDE), Brian Cowley (UEN), Daniel Cohn-Bendit (Grüne/EFA) und Jens-Peter Bonde (IND/DEM) sowie Sylvia-Yvonne Kaufmann (GUE/NGL) und die fraktionslose Irena Belohorska hatten nicht nur bei den Fragen des ersten Themenblocks "Außenpolitik" ihre Mühe, die vom Fernsehen vorgegebenen anderthalb Minuten Zeit pro Antwort einzuhalten. Zum Beitritt der Türkei, zum Studieren und Arbeiten in Europa, zur europäischen Identität und zum Klimawandel - die Fragelisten der Jugendlichen waren lang.
"Prinzipiell finde ich so eine Veranstaltung schon gut", sagte Philine Roth danach. Viele ihrer Altersgenossen hätten kaum Ahnung von Europa, da tue Aufklärung not. Sie selbst habe wenig gewusst, bevor sie es in der Schule gelernt habe. Von der deutschen Ratspräsidentschaft erhoffe sie sich, dass sich die Mitglieder der EU mehr um den Verfassungsvertrag kümmern. "Aber bei den ganzen Feiern zu 50 Jahre Römische Verträge bleibt Frau Merkel da vielleicht keine Zeit zu."