Er sieht ganz und gar nicht aus wie ein "alter Hase" im politischen Geschäft und doch muss man ihn fast zwangsläufig als einen solchen bezeichnen. "Manchmal bin ich selbst schockiert, wenn ich daran denke, dass es bald schon zehn Jahre werden", gibt der SPD-Abgeordnete Carsten Schneider zu. Gerade einmal 30 Jahre ist er alt, doch auf der politischen Bühne schon mit allen Wassern gewaschen. Bei der Bundestagswahl 1998 setzte er sich als 22-Jähriger im Wahlkreis Erfurt-Weimar-Weimarer Land II gegen zwei weitere Bundestagskandidaten durch und zog als damals jüngster Abgeordneter aller Zeiten in den Deutschen Bundestag ein. "Natürlich war ich anfänglich ein Exot und die Medien haben sich auf mich gestürzt", erinnert sich der gebürtige Erfurter, dem der Medienrummel anfangs die Arbeit nicht leicht machte.
Den ersten Impuls für einen Einstieg in die Politik gab ihm die deutsche Wiedervereinigung. "Da habe ich hautnah wahrgenommen, wie wichtig das Recht auf freie Meinungsäußerung ist", erklärt Schneider, "und konnte erfahren, wie viel man bewirken kann." Endgültig politisiert hätten ihn die zahlreichen Übergriffe auf Asylbewerber Anfang der 1990er-Jahre.
Als junger Abgeordneter fühlt Schneider sich besonders der jüngeren Generation verpflichtet. "Ich habe selbst 50 Bewerbungen geschrieben und 49 Absagen erhalten, ich weiß, was das für ein Gefühl ist", berichtet er, während er sich die Hemdsärmel hochkrempelt, als wolle er damit seinen Tatendrang bekunden. In der Tat wirkt der Vater einer Tochter, als wisse er genau, wovon er spricht. "Ein durchmischtes Parlament ist sehr wichtig, denn unterschiedliche Bevölkerungsgruppen brauchen angemessene Vertreter." Gerade die schwierige Situation der jungen Menschen im Osten der Republik, die Bekämpfung des Lehrstellenmangels und der sich vielerorts verbreitenden Perspektivlosigkeit liegen ihm am Herzen. Verbunden mit seinem Engagement für die jungen Bürger ist auch sein Amt als haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, das er seit dieser Legislaturperiode ausübt. "Die Zinszahlungen erdrücken vor allem die kommenden Generationen", stellt der gelernte Bankkaufmann fest, daher mache er sich für die Konsolidierung des Haushaltes stark. Auch als Mitglied des Haushaltsausschusses ist er besonders auf die Situation der Neuen Länder bedacht, um deren wirtschaftlichen Aufholprozess zu sichern. "In Zeiten knapper Kassen ist es wichtig, die Mittel gezielt einzusetzen", lautet das Anliegen des SPD-Haushälters. Sein Engagement für den Osten der Republik zeigt sich ferner in seiner Funktion als Sprecher der SPD-Landesgruppe Thüringen, der die sechs SPD-Bundestagsabgeordneten dieses Bundeslandes angehören. "Soeben bin ich als Sprecher wiedergewählt worden", freut er sich.
Um die jungen Kräfte innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion gezielt bündeln zu können, hat Schneider 1998 zusammen mit anderen Sozialdemokraten das "Netzwerk Berlin" gegründet, um zeitgemäße Ideen und gemeinsame Lösungen für aktuelle Probleme zu entwickeln und kontroverse Diskussionen führen zu können. "Wenn man so will, sind wir der Reformflügel der SPD, ein progressives Zentrum", stellt Schneider fest. Neben dem Seeheimer Kreis und der Parlamentarischen Linken sind die so genannten "Netzwerker" die dritte Strömung innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion.
In seiner Freizeit spielt der Abgeordnete gerne Fußball, unter anderem beim interfraktionellen FC Bundestag. Zwar wirkt die aus Abgeordneten bestehende Mannschaft auf den ersten Blick leicht CDU-lastig, aber "die echten Leistungsträger sind von der SPD", versichert Schneider augenzwinkernd. Der gelernte Stürmer muss meistens in der Abwehr aushelfen und so zeigt sich einmal mehr: Carsten Schneider ist vielfältig einsetzbar. "Einmal habe ich es mit einem Tor für die Bundestagsmannschaft sogar bis in die Tagesschau geschafft", berichtet er mit leuchtenden Augen, "Volleyschuss von der Mittellinie, perfekt getroffen - das war ein tolles Ding." Von Traktor Obernissa, wo er in seiner Jugend spielte, zum FC Bundestag - auch das ist ohne Frage eine erstaunliche Karriere.