SCHWEDEN
Von Gammelfleisch verschont
Um die Gesundheit seiner Bürger sorgt sich der schwedische Staat mit Hingabe. Schwedische Forscher warnten die Welt im Frühjahr 2002 vor Acrylamid in Pommes und Kartoffelchips - und versetzten damit die Lebensmittelindustrie in helle Aufregung. Von dem Stoff, der beim Frittieren, Kochen oder Backen stärkehaltiger Produkte entsteht, hatte bis dato noch kaum ein Mensch etwas gehört. Karl-Erik Hellenäs, Chemiker in der Forschungsabteilung des schwedischen Zentralamts für Lebensmittelwesen, freut sich heute noch über die internationale Aufmerksamkeit: "Seitdem hat die Branche enorme Summen investiert, um technische Lösungen zur Vermeidung der krebsverdächtigen Substanz zu entwickeln."
Als zentrale Regulierungsbehörde setzt "livsmedelsverket" vor allem auf Aufklärung: In Anzeigen und auf Plakaten wird der Verbraucher etwa ermahnt, gesünder zu essen. Vor allem die Kantinen von Kindergärten und Schulen haben die Ernährungsberater im Blick. Dort werden die meisten Kinder und Jugendlichen bis zum Nachmittag verpflegt. Von BSE, Vogelgrippe und Gammelfleisch blieb Schweden weitgehend verschont. "Reines Glück", meint Anders Lönnblad, Abteilungsleiter für Lebensmittelkontrolle und Viehwirtschaft im Stockholmer Agrarministerium. Allerdings, gibt Lönnblad zu bedenken, war Schweden eines der ersten Länder, das eine breite Debatte über Massentierhaltung und sichere Lebensmittel führte. So wurden bereits 1953 nach einer verheerenden Salmonellen-Epidemie strenge Hygienevorschriften und Importkontrollen eingeführt. Überwiegend aus ethischen Gründen folgte 1986 ein Verbot von Tierfutter aus Tierkadavern und Schlachtabfällen. Seit das Land 1995 der EU beitrat, kämpft es für die Beibehaltung seiner strengen Vorschriften. Jedoch liegt auch im Musterland der Lebensmittelüberwachung noch vieles im Argen. 54.000 landwirtschaftliche Betriebe, Händler und Gaststätten müssen die Behörden im Blick behalten. Tatsächlich erhielt im Vorjahr nur jedes zweite Unternehmen Besuch von einem staatlichen Kontrolleur. Weil viele Kommunen mit den kostspieligen Stichproben überfordert sind, wird über eine Verlagerung der Zuständigkeiten auf die Provinziallandtage in den Regionen nachgedacht.
Ertappte Sünder müssen sich dennoch vorsehen. Denn die für Verbraucherschutz zuständigen Behörden veröffentlichen umfassende Informationen. Dabei werden Verbraucher mit "schwarzen Listen" auf mangelhafte Produkte und laufende Verfahren gegen Lebensmittelhersteller hingewiesen.
Wer wirklich sichergehen will, kauft Bioprodukte. Die ließen sich bislang in Schweden praktisch nur dann verkaufen, wenn sie unter dem Siegel der privaten Kontrollorganisation KRAV angeboten werden. Die Kooperative, der auch Umweltverbände angehören, garantiert zuverlässige Lebensmittel aus ökologischem Anbau, frei von Pestiziden, Hormonen, Antibiotika und Zusätzen. Produkte aus gentechnisch veränderten Organismen stehen auf dem Index. Damit stellt die in Schweden fast schon monopolartige Organisation teilweise deutlich höhere Anforderungen als die EU-Verordnung zum Ökolandbau. Der geplanten Einführung des EU-Siegels sieht KRAV-Chefin Lena Söderberg mit Sorge entgegen: "Viele Schweden sind bereit, mehr Geld für gesunde Lebensmittel auszugeben. Aber dann sollten sie auch wissen, was wirklich in der Verpackung drin ist."