Dänemark
Rasmussen verteidigt knapp seine Mehrheit
Sein Kalkül ist aufgegangen: Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen (Venstre-Partei) kann seine Koalition mit der Konservativen Volkspartei (KF) auch nach der vorgezogenen Parlamentswahl vom 14. November fortsetzen. Dabei ist er nicht einmal mehr - wie Umfragen es lange vorhersagten - auf die neu gegründete liberale Neue Allianz (NA) angewiesen, sondern wie gehabt stützt nur die Dänische Volkspartei (DF) seine Minderheitsregierung, dazu kommt ein Abgeordneter von Venstres Schwesterpartei auf den Faröer Inseln. Damit hat Rasmussen die erforderliche Mehrheit von 90 der 179 Parlamentssitze. Seine Partei Venstre hat 46 Mandate bekommen (bisher 52), der Koalitionspartner KF 18 (18), die DF 25 (24), die Neue Allianz fünf, der konservative Kandidat von den Faröern eins, der Rest geht an die Opposition, wo die Sozialdemokraten mit 45 (47) Mandaten die größte Fraktion stellen. Damit hat die Regierung allerdings auch nur gerade geschafft, die notwendige Mindestzahl der Sitze zu bekommen. Dementsprechend wird in der nun angelaufenen Legislaturperiode mehr als ohnehin im auf Konsens bedachten Dänemark üblich, versucht werden, bei Parlamentsbeschlüssen auch die Oppositionsparteien einzubinden. Das bedeutet eine Schwächung der DF. In Dänemark ist es Tradition, dass die Regierung für etliche Beschlüsse eine Mehrheit sucht, die deutlich über die Parlamentssitze der jeweiligen Koalition hinausgeht. "Ich strebe bei künftigen Reformprojekten eine breite Zusammenarbeit an", beteuerte Rasmussen am Tag nach der Wahl.
Einwanderung, Europa, Steuern und Wohlfahrt werden die dominierenden Themen in der Legislaturperiode bis 2009 sein. Dänemarks Wirtschaft befindet sich unverändert in einer Boomphase, beim Pro-Kopf-Einkommen in Kaufkraft gehört das Land in der EU zu den Spitzenreitern und die Arbeitslosigkeit liegt derzeit bei nur 3,1 Prozent. Arbeitskräfte sind Mangelware. Eine Steigerung der Zuwanderung könnte Abhilfe auf dem Arbeitsmarkt schaffen.
Dänemark hat im europäischen Vergleich sehr strenge Vorschriften zur Regulierung der Einwanderung. Die Regierung wird nicht umhinkommen, die Zuwanderung zu liberalisieren, um das Angebot auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. In diesem Punkt wird die Regierung Rasmussen auf die Zusammenarbeit mit der Opposition angewiesen sein, weil die DF es als einen ihrer Kernpunkte ansieht, die Zuwanderung stark zu regulieren. Der Erleichterung von Zuwanderung Hochqualifizierter wird sie womöglich zustimmen, nicht aber wenn es um geringer Qualifizierte geht. Diejenigen, die sich als Globalisierungsverlierer sehen, also vor allem weniger gut Ausgebildete, sind nämlich die Hauptklientel der DF. In der auch wirtschaftlich liberalen Neuen Allianz sowie der linken Opposition ist aber mit Unterstützung zu rechnen. Festhalten wird das nordeuropäische Land an der so genannten 24-Jahrregel, die Ehen, bei denen ein Partner Ausländer ist, für unter 24-Jährige verbietet. Ziel ist, Zwangsehen mit in der Heimat verbliebenen Verwandten und Bekannten, die dann nach Dänemark nachziehen, zu verhindern.
Auch in Sachen Europäische Union wird Rasmussen weitgehend ohne seinen Partner DF agieren. Die DF lehnt die europäische Integration und die Gemeinschaftswährung Euro ab und fordert eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung. Rasmussen, dessen Partei Venstre pro EU ist, wie alle im Parlament vertretenen Parteien bis auf DF und die grüne Einheitsliste, wird auch in diesem Punkt auf eine Zusammenarbeit mit der Opposition setzen, um Dänemark zu einem nahezu vollständig integrierten EU-Mitglied zu machen. Bis in dem Land wirklich mit Euro und nicht mehr mit Dänischen Kronen bezahlt wird, könnte aber noch länger als bis zum Ende der Legislaturperiode dauern. Die Dänische Volkspartei wird ihren Einfluss vor allem geltend machen, wenn es um den Haushalt geht. Dänemark erwirtschaftet einen soliden Staatsüberschuss. Für die DF ist das kein Argument für Steuererleichterungen und eine Abkehr vom Spitzensteuersatz, der bei 63 Prozent liegt und bereits ab einem Monatseinkommen von rund 3.700 Euro gilt. Stattdessen müsse mehr Geld in die Kranken- und Altenpflegesysteme gesteckt werden, weil lange Wartezeiten bei Operationen und zum Teil schlechte Versorgung in Pflegeheimen in Dänemark üblich sind. Die DF glaubt, dass eine Lösung dieser Probleme nur durch Ausgabenerhöhung machbar ist und vertraut nicht darauf, dass es ausreicht, das Gesundheitssystem schlicht zu reformieren.
Rasmussen wird also nicht umhinkommen, Zugeständnisse zu machen. Ebenso wie bei der Steuer, wo die KF gerne eine deutliche Entlastung der Bürger sehen würde. Doch eine deutliche Senkung der hohen Einkommensteuer ist in Dänemark und besonders bei der DF unpopulär. Die Regierung Rasmussen wird keine drastische Reform einleiten können, sondern womöglich Entlastung schaffen, indem Steuersparmöglichkeiten erweitert werden, etwa bei der privaten Altersvorsorge.
Die dänische Tradition der Zusammenarbeit mit der Opposition ist ein großes Glück für den zum dritten Mal gewählten Rasmussen, denn die DF kann ihn nicht erpressen, wenn er bei einzelnen Beschlüssen von Teilen der Linken oder der NA gestützt wird. Am rechten Rand angesiedelt hat die DF anders als Rasmussen nämlich keine Möglichkeit mit einer anderen Partei zu kooperieren.