Anti-Drogen-strategie
Die Koalition bereitet auf Anregung der Union eine neue Initiative im Kampf gegen den Rauschgiftanbau vor und setzt auf die Mitverantwortung Europas
Der Drogenkonsum ist in Europa ungebremst: 2006 griffen 4,5 Millionen Europäer zu Koks, über eine Million mehr als 2005. Wie der Jahresbericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) zeigt, gewinnt dabei Kokain immer mehr an Bedeutung. Vier Prozent der Spanier haben schon mal Kokain genommen. 2006 starben die meisten der 8.000 Drogentoten in Europa an einer Überdosis. Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen steigt der Kokainkonsum auch in Deutschland seit Jahren an.
"Alarmierend" sind diese Zahlen für Maria Eichhorn, drogenpolitische Sprecherin der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion: "Wir haben in Europa ein massives Drogenproblem, dessen Ausmaß immer noch nicht erkannt oder nicht zugegeben wird." Anfang dieses Jahres will der Bundestag nun eine neue Drogenstrategie in der Entwicklungspolitik diskutieren. Ein Antragsentwurf der CDU/CSU liegt dazu vor, die SPD klärt zurzeit, wo sie möglicherweise Veränderungen anbringen will. Das Ziel der Koalition ist jedenfalls klar: Es müssen Maßnahmen für einen verbesserten Kampf gegen Drogenhandel und Drogenanbau in Entwicklungsländern entwickelt werden. Eichhorn und der CDU-Abgeordnete Jürgen Klimke, im Entwicklungshilfeausschuss zuständig für Drogenpolitik, prüften deshalb in Peru und Kolumbien, zwei großen Kokaanbauländern, welche Lösungsansätze Deutschland vorschlagen und fördern kann: "Allein werden diese Länder es nicht schaffen, sich aus den Fängen der Drogenmafia zu befreien", so Klimke. Für ihn steht fest, dass die Entwicklungspolitik mehr Geld bereitstellen muss, um den Drogenanbau zu bekämpfen: "Die Stärkung des außerlandwirtschaftlichen Bereichs und vor allem die Investitionen in Infrastrukturprojekte müssen hierbei ebenso im Zentrum der Bemühungen stehen wie eine stärkere Bekämpfung der Geldwäsche."
Seit 1981 hat die Bundesrepublik weltweit 200 Millionen Euro in die Drogenbekämpfung investiert, 20 Prozent davon entfallen auf Programme der Vereinten Nationen (UNDP). Seit 2000 engagiert sich die EU mit 330 Millionen Euro in Drogenbekämpfungsprogrammen: "Das ist der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein", gibt Klimke zu: Allein in Peru hätten die Zuflüsse aus dem Drogenhandel im Jahr 2006 1,5 Milliarden Dollar betragen, in Kolumbien schätzt die Konrad-Adenauer-Stiftung, dass rund 15 Prozent des gesamten Haushaltes indirekt durch die Drogenökonomie erwirtschaftet werden. Sowohl Klimke als auch Eichhorn haben bei den Menschen in den Kokaanbaugebieten eine "beeindruckende Bereitschaft" wahrgenommen, sich von der Drogengeißel zu befreien: "Die Menschen wollen vom Kokaanbau freikommen, sie wissen nur nicht wie." Für die beiden Bundestagsabgeordneten steht fest, dass der von den Europäern seit langem befürwortete Anbau von alternativen Produkten ein wichtiger Weg ist. Er kann aber nur erfolgreich sein, wenn er von Infrastrukturmaßnahmen begleitet wird, dem Bau von besseren Zufahrtswegen in die entlegenen Gebiete etwa oder der Errichtung von Schulen und Krankenhäusern.
Warum sollte sich Europa engagieren? "Wir sind neben den Vereinigten Staaten die wichtigsten Drogenkonsumenten und müssen uns unserer Mitverantwortung stellen." Das Drogenthema sei längst so global wie der Kohlendioxidausstoß: "Da haben die Leute das aber endlich begriffen, beim Drogenthema noch nicht." Eichhorn glaubt, dass das gerade von der kolumbianischen Regierung angemahnte Prinzip der beiderseitigen Verantwortung von Produzenten und Konsumenten - "Co-Responsabilidad" - noch aggressiver ins Bewusstsein der Europäer gerückt werden muss: "Drogenkonsum ist kein Kavaliersdelikt, man ruiniert nicht nur sich selbst, sondern auch Flora und Fauna in den Anbauländern und stößt Zigtausende Menschen dort ins Unglück." Nach einem Flug über die Urwälder in Peru und Kolumbien, in denen Koka angebaut wird, zeigte sie sich erschrocken über den Grad der Zerstörung. Insofern ist sie über die kolumbianische Praxis, die Anbauflächen zu besprühen (Fumigación), nicht glücklich. Diese ist Teil des so genannten Plans Colombia, den Washington größtenteils finanziert, um die Anbauflächen zu verringern: Die Schäden für die Umwelt sind eindeutig. Die Bundestagsabgeordnete tritt deshalb dafür ein, die Kokapflanzen, wie in Peru üblich, auszureißen (Erradicación). Das ist allerdings kostspieliger, weil jede Pflanze mit der Hand ausgerissen werden muss. Hier hat Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe ein Programm initiiert, bei dem Waldhüter (Guardabosques) diese Aufgabe übernehmen. Außerdem sollen sie "unterhalb der polizeilichen Überwachung" Kontrolle in ihrer Region ausüben. Die Regierung Uribe fordert seit langem von der EU, dieses kostenintensive Konzept großzügig mitzufinanzieren, bisher vergebens: "Die Drogenpolitik der EU ergeht sich in Sonntagsreden. Diverse interessante und bei richtiger Umsetzung effektive Pläne sind installiert. Einzig nationale Egoismen im Umgang mit der Ächtung von Drogenkonsum und die fehlende Implementierung auf der Ebene eines EU-Kommissars behindern, dass Europa einheitlich handelt", kritisiert Klimke.
Beide Abgeordnete lehnen eine Legalisierung des Drogenanbaus ab: Sie sei aufgrund der sozialen, gesundheitlichen, umweltzerstörenden und sicherheitspolitischen Konsequenzen nicht zu akzeptieren. Maria Eichhorn setzt hingegen auf eine konsequente Präventionsstrategie bei Kindern und Jugendlichen: "Nur wenn wir es schaffen, diese früh für die Gefahren des Drogenkonsums zu sensibilisieren, können wir die Drogenproblematik langfristig und dauerhaft bekämpfen."