Seit fast zwei Jahren beschäftigt sich der Bundestag mit der Frage, ob die Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige in engen Grenzen als Kassenleistung gesetzlich zugelassen werden soll. Wie es aussieht, könnte bis zu einer Entscheidung noch mehr Zeit vergehen. Der Bundesrat und die Mehrheit im Bundestag sind zwar für die Ausweitung der Behandlungsmethoden. Doch die Koalition stimmt dem Anliegen derzeit nicht zu. Der Grund: Die Unions-Fraktion lehnt die Gesetzesänderung mehrheitlich ab, und die SPD, die zu den Befürwortern gehört, hält sich an die Koalitionsdisziplin.
Jetzt haben die Oppositionsfraktionen nach der Geschäftsordnung des Bundestages vom Gesundheitsausschuss die Vorlage eines Berichts zu Verlauf und Stand der Debatte um die kontrollierte Behandlung Schwerst- abhängiger mit Heroin ( 16/8886) beantragt. Dieser war am 8. Mai Grundlage einer Debatte im Plenum. In dem Bericht wird ausgeführt, dass der Ausschuss am 12. März mit den Stimmen von Union und SPD gegen die Stimmen der Opposition beschlossen hat, einen Abschluss der Beratungen, unter anderem zu einem Gesetzentwurf der Fraktionen von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ( 16/4696), erneut zu vertagen.
Dieser Entwurf sieht - wie im Übrigen auch der Vorschlag der Länderkammer - vor, synthetisch hergestelltes Heroin, so genanntes Diamorphin, als verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel einzustufen. Der Zugang zu Diamorphin soll auf Schwerstabhängige beschränkt werden, die nach den herkömmlichen Methoden, etwa mit einer Methadon-Substitution, nicht therapierbar sind.
Als Kriterien für die Zulassung zur Behandlung werden ein Mindestalter von 23 Jahren und eine Mindestabhängigkeitsdauer von fünf Jahren genannt. Zudem müssten zwei erfolglose Therapien absolviert worden sein, so die Abgeordneten. Die Behandlung darf nach dem Entwurf nur in speziellen Einrichtungen vorgenommen werden.
Bereits im vergangenen Jahr hatten Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und die FDP eigene Anträge ( 16/2075, 16/2503, 16/3840) mit demselben Ziel eingebracht.
Die Drogenbeauftragte der Unions-Fraktion, Maria Eichhorn (CSU), bemängelte jetzt im Plenum, dass die Ausstiegsorientierung bei der Heroinbehandlung "keine Rolle" spiele. Auch ein Modellversuch in mehreren Städten habe keine eindeutige Überlegenheit der Heroinbehandlung ergeben. Im Gegenteil gebe es bei der Behandlung mit Heroin größere gesundheitliche Risiken als bei der Methadonbehandlung. Zudem sei es nicht abzuschätzen, wie groß die Gruppe der mit Heroin zu Behandelnden und damit die Kosten für die Krankenkassen ausfallen.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), betonte hingegen, die Diamorphinbehandlung sei erfolgreich bei Abhängigen, denen nicht anders zu helfen sei. Der Ausstieg sei bei schwerer Heroinabhängigkeit möglich, aber nicht die Regel - wohl aber habe sich der gesundheitliche und psychische Zustand der Patienten stark verbessert. Bätzing fragte, wer die Verantwortung übernehme, wenn die Behandlung aus finanziellen Gründen eingestellt werden müsse.
Der FDP-Gesundheitspolitiker Detlef Parr forderte die Unions-Fraktion auf, die Abstimmung über den Gesetzentwurf frei zu geben. Wenn es um Menschenleben gehe, handele es sich um eine Gewissensentscheidung, warb Parr. Er verwies darauf, dass es im Bundestag eine breite Mehrheit für die diamorphingestützte Behandlung gebe. Die Linksparlamentarierin Monika Knoche verurteilte die Haltung der Unions-Politiker und forderte die SPD auf, entgegen der Koalitionsdisziplin für den Entwurf zu stimmen. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Harald Terpe sagte, die Haltung einiger Unions-Abgeordneten sei "empörend". Sie blockierten den Gesetzentwurf "aus ideologischer Borniertheit". Es gehe um eine letzte Chance für eine kleine Gruppe von Heroinabhängigen.