BANKEN
Jahrzehntelang lösten deutsche Kreditinstitute ihre Probleme untereinander. Die Finanzkrise lässt sie zu Bittstellern beim Staat werden
Nun also auch das Flaggschiff der öffentlichen Banken: Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) muss angesichts der Stürme auf den Finanzmärkten Hilfe in Anspruch nehmen. Bis vor einigen Wochen stand die mit einer Bilanzsumme von 500 Milliarden Euro größte Einrichtung unter den sieben Landesinstituten trotz aller Rückschläge wie etwa mehreren hundert Millionen Euro Minus aus Island-Geschäften im Kern noch gut da. Doch inzwischen wird für 2008 mit einem Minus von zwei Milliarden Euro gerechnet. Zwecks Stärkung der Wettbewerbsposition im Bankensektor soll die LBBW jetzt eine Kapitalspritze von fünf Milliarden erhalten, um die Eigenkapitalquote von sieben auf über neun Prozent anzuheben. Um ein Vielfaches höher soll der zusätzliche Bürgschaftsrahmen werden.
CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger will verhindern, dass der Bund über eine Kapitalzufuhr aus seinem Rettungspaket Einfluss auf die Geschäftspolitik der LBBW nimmt. Offen war zuletzt, ob der Bürgschaftsrahmen zwischen vermutlich 20 und 30 Milliarden Euro vom Land oder vom Bund gestemmt wird. Allerdings setzt die Mobilisierung gewaltiger Summen zugunsten der LBBW hinter die an einer strikten Schuldenbegrenzung orientierte Politik des CDU/FDP-Kabinetts ein dickes Fragezeichen. Zudem muss die Landeshilfe von der Brüsseler Kommission genehmigt werden.
Die Unterstützung für die LBBW, gegen die sich deren Chef Siegfried Jaschinski lange gewehrt hatte, räumt den Landesbanken, die in mehr oder minder starkem Maße unter Verlusten aus waghalsigen Finanzinvestments stöhnen, psychologisch nun endgültig den Weg frei, um unter den staatlichen Schirm gehen.
Zunächst war die besonders gebeutelte BayernLB vorgeprescht, die eine Kapitalzufuhr von 5,4 Milliarden Euro aus dem Rettungspaket des Bundes haben will. Auch die WestLB möchte Direkthilfen und Kreditgarantien aus diesem Topf; offen ist, in welchem Umfang. Die HSH Nordbank erwägt, Bürgschaften von bis zu 30 Milliarden Euro zu beantragen. Deren Chef Hans Berger trat zwischenzeitlich zurück: Der Vorstand habe "Risiken für die Ertragslage der Bank in diesem Ausmaß nicht vorhergesehen". Nicht auf das Rettungspaket zugreifen will die NordLB. Sie behält sich aber vor, einen solchen Schritt zu prüfen. Standhaft zeigen sich nur die Landesbanken Hessen-Thüringen und Berlin. Einen delikaten Streit verspricht die Frage, ob die Eigentümer von WestLB und BayernLB früher eingegangene Bürgschaftszusagen gegenüber ihren Banken auf den Fonds der Bundesregierung abwälzen können.
Die Turbulenzen der Landesinstitute beflügeln derweil die seit langem schwelende Debatte über Fusionen. Aus Sicht von Städtetagspräsident Christian Ude reicht im Prinzip eine einzige Einrichtung dieser Art aus. Der Münchner SPD-Oberbürgermeister wirft den Ländern "Kleinstaaterei" vor. Ude will verhindern, dass die Krise der Landesbanken die kommunalen Sparkassen als Miteigentümer dieser Institute "mit in den Strudel zieht". Der Sparkassenverband will die Zahl der Landesbanken auf drei reduzieren und damit 1 Milliarde Euro jährlich sparen. Präsident Heinrich Haasis sagt, dabei würden natürlich "auch Arbeitsplätze abgebaut".
Wer mit wem? Das dürfte viel Streit provozieren. Niedersachsens CDU-Finanzminister Hartmut Möllring will vom Zusammenschluss der heimischen NordLB mit der HSH Nordbank nichts wissen: "Wir sind nicht auf Brautschau, und eine Zwangsehe lehnen wir sowieso ab." Zu der von den Sparkassen befürworteten Fusion von LBBW und BayernLB zu einer Südbank meint der baden-württembergische CDU-Fraktionsvorsitzende Stefan Mappus, er warne davor, "die Weichen zu schnell zu stellen." Der neue Münchner FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil strebt im Übrigen langfristig die komplette Privatisierung der BayernLB an. Mit schnellen Neuorganisationen ist jedenfalls nicht zu rechnen. Ohnehin sind die stärkeren Banken darauf bedacht, dass die schwächeren Partner zunächst ihre Risiken bereinigen. Jedes Institut müsse erst einmal seine "Hausaufgaben machen", mahnt LBBW-Chef Jaschinski.
Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Banken, Klaus-Peter Müller, rief alle Banken dazu auf, die Frage zu prüfen, ob sie staatliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass Lebensversicherungen die Verzinsung für ihre Kunden senken müssen. Als erste schraubte die Europa-Versicherung den Zinssatz von 5,4 auf 5 Prozent zurück. Die Europa hatte aber überdurchschnittliche Zinsen gezahlt.
Im Bundestag liegen mehrere Anträge vor, die das Ziel einer besseren Regulierung der Finanzmärkte haben. So fordert die FDP ( 16/10876), die nationale Finanzaufsicht bei der Bundesbank zu konzentrieren. Die Liberalen sprechen sich für einen "starken Staat" aus, der "klare und verlässliche Regeln" aufstellen solle. Auch Bundesbank-Chef Axel Weber hatte sich für eine stärkere Rolle seines Instituts auf dem Finanzmarkt ausgesprochen. Die Linksfraktion fordert in einem Antrag ( 16/10827), deutsche Finanzmanager mit einer Sondersteuer zu belegen. Diese Sondersteuer soll für zwei Jahre erhoben werden. Manager seien in besonderer Weise für die Krise verantwortlich und müssten die Kosten mittragen, begründet die Fraktion ihren Antrag